Austrias Abwehrchef Aleksandar Dragovic erklärt, warum Emotionen zu seinem Spiel gehören und er noch das Zeug für das ÖFB-Team hat. Am Sonntag geht es nach Salzburg.
Für viele ist er der violette Königstransfer, mit dem sich sehr vieles zum Positiven veränderte. Aleksandar Dragovic (34) stabilisierte nicht nur die Abwehr, sondern zeigt seinen Kollegen, was es bedeutet ein echter Profi zu sein, geht mit Qualität und vor allem Leidenschaft voraus. Vor dem Hit des Tabellenführers aus Wien bei Red Bull Salzburg relativiert der ehemalige Teamspieler die Titelträume.
Was darf man sich von der Austria nach den zwei Siegen über Sturm diesmal in Salzburg erwarten?
Aleksandar Dragovic: Jedes Spiel ist jetzt ein Finale. Wir wollen die drei Punkte holen, wissen aber, dass wir schon einige Tage nicht mehr gegen Salzburg gewonnen haben. In den letzten Spielen waren wir schon knapp dran. Aber wenn man sich das Budget von Salzburg vor Augen führt, ihre Infrastruktur, die Möglichkeiten, dann sind wir schon auf einem guten Weg, wenn wir derzeit auf Augenhöhe mit ihnen sind.
Sicherlich, aber wir wollen jedes Spiel gewinnen, da muss jeder sein Maximum erreichen.
In der Liga ist derzeit alles eng beisammen, Runde für Runde kann sich die Lage ändern. Wie empfinden Sie das?
Das macht es für den neutralen Zuschauer doch so spannend. Wenn man betrachtet, wo die Austria in den letzten Jahren war, dann kann man schon stolz sein, was wir bisher geleistet haben und dass wir da oben mitspielen. Gleich, welcher Tabellenplatz am Ende es wird, die Entwicklung stimmt. Wir sind mittlerweile mit jeder Mannschaft in der Liga zumindest auf Augenhöhe. Zu Saisonbeginn waren wir sicherlich noch einige Schritte zurück. Wir haben nicht den Druck. Salzburg muss, wir können.
Hätten Sie letzten Sommer gedacht, dass Sie im Mai mit der Austria um den Titel kämpfen?
Das hätte keiner gedacht, unser Ziel war das Erreichen der Meistergruppe. Jetzt sind wir mittendrin statt nur dabei. Wichtig ist, dass wir uns nicht verrückt machen lassen. Noch einmal, wenn man Sturm und Salzburg betrachtet, den jeweiligen Kader und das Budget, dann liegt der Druck bei denen.
In welchen Punkten hat sich die Austria verbessert im Laufe der Saison?
In jedem einzelnen Punkt. In der Spieleröffnung, wie wir kämpfen, wie jeder für den anderen da ist. Und Glück kommt auch dazu, wie zuletzt gegen Sturm Graz. Aber das Glück kommt nicht von ungefähr, wir ordnen die Dinge schon richtig ein, da wird nichts schöngeredet. Wir arbeiten gut mit dem Trainerteam, wollen uns verbessern. Und im Umfeld mit Jürgen Werner, Manuel Ortlechner, Harald Zagiczek und Kurt Gollowitzer trägt jeder dazu bei, dass wir in Ruhe arbeiten können. Auch nach dem Cup-Aus gegen Hartberg war keine Unruhe im Verein.
Nach diesem bitteren Aus hatte die Austria keine Krise, aber einen „Hänger“. Wie hat man das gelöst?
Indem wir weiter hart gearbeitet haben. Die Trainingswoche vor dem Salzburg-Heimspiel war die beste, seit ich wieder bei der Austria bin. Das war irgendwie der Schlüssel dafür, dass wir wieder zurückgekommen sind.
Sie spielen eine hervorragende Saison. Haben Sie sich selbst überrascht?
Ich werde mich da nicht loben, meine Leistungen können gerne andere beurteilen. Ich gebe immer mein Bestes für den Verein. Bei Roter Stern Belgrad habe ich in den letzten Jahren auch meine Leistung gebracht, wobei ich vielleicht nicht so im Mittelpunkt gestanden bin wie hier, weil die serbische Liga für Österreich vielleicht nicht so attraktiv ist.
Ist Ihre Rolle bei der Austria eine andere als bei Roter Stern?
Schwer zu sagen, ich habe von Beginn an versucht der Mannschaft zu helfen, meine Erfahrung weiterzugeben, die ich in meiner Karriere gesammelt habe. Das Italienische im Spiel habe ich beispielsweise von Dejan Stankovic gelernt.
Sind Sie eine „Krätzn“?
Das vielleicht nicht. Aber das Italienische im Fußball bedeutet, dass die Defensive zuerst stehen muss für den Erfolg. Das machen wir gut, aber ganz zufrieden bin ich noch nicht.
Sie sind mittlerweile ein Routinier mit 100 Länderspielen und auch Familienvater. Sind Sie generell ruhiger geworden?
Naja, nach dem Cup-Aus gegen Hartberg und der Roten Karte hat man schon gemerkt, dass noch serbisches Blut bei mir vorhanden ist. Es wäre im Cup so viel möglich gewesen, da war die Enttäuschung groß, ich habe mich ganz einfach riesig geärgert. Aber sonst kann ich mit heiklen Situationen schon besser umgehen. Wäre aber das serbische Blut nicht mehr in mir, dann müsste ich wahrscheinlich aufhören.
Der Schritt zurück zur Austria dürfte der richtige gewesen sein.
Ich bin bei der Austria aufgewachsen, es war für mich klar, dass ich irgendwann zurückkomme. Der Zeitpunkt war die Frage. Hier sind meine Freunde, hier geht jetzt mein Kind in den Kindergarten. Ich hätte mir nie gedacht, dass es so schnell so gut läuft. Es war ja nicht so leicht nach der Corona-Pandemie einen Verein zu finden, wo finanziell alles passt und man gleichzeitig auch international Erfolg haben kann.
So wie Sie aktuell spielen, könnten Sie auch einem Champions-League-Klub helfen.
Das sollen bitte andere entscheiden. Auch bezogen auf das Nationalteam weiß ich jetzt, dass ich noch das Zeug hätte. Aber die Entscheidung liegt beim Teamchef, das gilt es zu respektieren und zu akzeptieren.
Ist das Thema für Sie ein für allemal abgeschlossen?
Ein gesundes Selbstvertrauen muss man als Sportler doch haben. Daher meine ich, dass ich noch das Zeug dazu hätte, anhand der Leistungen hätte ich es vielleicht auch irgendwo verdient. Aber das Thema ist für mich vorbei. Ich drücke der Mannschaft immer die Daumen, kenne ja noch einige Spieler.
Wir denken nicht daran. Wäre nur noch ein Spiel zu absolvieren, dann könnte ich dazu etwas sagen. Aber noch ist so viel möglich. Wir genießen es oben mitzuspielen. Ein Titel ist aber grundsätzlich immer ein Ziel. Die Austria gehört zu den Top 3, warum soll nicht in den nächsten Jahren der Titel gelingen?
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