Ex-Kanzler Kurz freigesprochen: "Es ist alles in sich zusammengefallen"

Sebastian Kurz nach dem rechtskräftigen Freispruch im Justizpalast in Wien
Das Oberlandesgericht (OLG) Wien hat entschieden. Das Urteil gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz wurde aufgehoben. Bernhard Bonellis Urteil wurde bestätigt.
  • Das OLG Wien hat Ex-Kanzler Sebastian Kurz vom Vorwurf der Falschaussage freigesprochen.
  • Die bedingte Haftstrafe von sechs Monaten gegen Bernhard Bonelli wegen Falschaussage wurde bestätigt.
  • Richter Radasztics' Befangenheit spielte keine Rolle bei der Aufhebung des Urteils gegen Kurz.

Das Oberlandesgericht (OLG) Wien hat am Montag das Urteil gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen Falschaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss aufgehoben. Die bedingte Haftstrafe von sechs Monaten gegen dessen früheren Kabinettschef Bernhard Bonelli, ebenfalls wegen Falschaussage, wurde hingegen bestätigt. Kurz war erstinstanzlich zu acht Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Das Urteil ist rechtskräftig.

Warum wurde Sebastian Kurz doch freigesprochen?

Bei dem Verfahren war es darum gegangen, dass Kurz die Rolle bei der Aufsichtsratsbestellung der Staatsholding ÖBAG heruntergespielt haben soll. Die Anklage hatte ihm vorgeworfen, er habe den Eindruck erwecken wollen, er hätte mit dem Vorgang im Wesentlichen nichts zu tun gehabt. "Der objektive Tatbestand der falschen Beweisaussage war nicht erfüllt", erklärte der Richter das Urteil. 

Eine falsche Beweisaussage begehe, wer vorsätzlich Tatsachen nicht richtig darstelle. Kurz habe bejaht, dass er selbst in die Bestellung des Aufsichtsrates eingebunden war. Kurz habe damit die Ja-Nein-Frage, ob er in die Bestellung eingebunden gewesen sei, richtig beantwortet. Die Fragestellerin Stephanie Krisper sei mit der Antwort nicht zufrieden gewesen, die Fragezeit sei jedoch vorbei gewesen. Kurz hätte nicht den Eindruck erweckt, dass seine Frage abschließend beantwortet worden sei, meinte das Gericht nach dem Studium der Videoaufnahmen aus dem U-Ausschuss.

Warum bleibt das Urteil gegen den Kabinettschef von Kurz aufrecht?

Anders habe sich die Sachlage bei Bonelli dargestellt, so der Richter, der betonte, dass es bei dieser Frage keinen Konnex zu Kurz' Aussagen vor dem U-Ausschuss gebe. Es sei die Frage zu prüfen gewesen, die Bonelli gestellt wurde, nämlich, ob Kurz gewollt habe, dass Siegfried Wolf Aufsichtsratsvorsitzender in der ÖBAG wird. Bonelli habe darauf geantwortet: "Das weiß ich nicht."

"Aus Chats und auch aus der Hauptverhandlung hat sich ergeben, dass Siegfried Wolf der Favorit gewesen war für Kurz", führte der Richter aus. Bonelli habe in der Hauptverhandlung auch eingeräumt, dass er das gewusst habe. "Dass er hier von einem Kandidaten und nicht von einem Aufsichtsratsvorsitzenden spricht, hat auf den Wahrheitsgehalt keinen Einfluss." Es sei nur darum gegangen, Rückschlüsse darauf zu ziehen, ob Bonelli zum Aussagenzeitpunkt klar war, dass seine Aussage unwahr ist. "Ob er vorsätzlich falsch ausgesagt hat, das weiß ich nicht", so der Vorsitzende.

Sebastian Kurz im Vordergrund, Stefan Bonelli im Hintergrund im Schatten.

Sebastian Kurz und Bernhard Bonelli. 

"Das ist nicht glaubwürdig"

Das Thema der Aufsichtsratsbesetzung sei keines, das man so leicht vergisst, "das ist nicht glaubwürdig" - es sei ein zentrales und kontroversielles Thema gewesen. "Wir gehen wie der Erstrichter davon aus, dass dieses Wissen, dass Wolf von Kurz favorisiert wurde, (bei Bonelli, Anm.) durchgehend vorhanden war."

Richter nicht befangen

Keine Rolle bei der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils spielte die Rolle des Erstrichters Michael Radasztics. Die Verteidigung meinte, er habe den Anschein von Befangenheit erweckt, da er Informationen an Peter Pilz weitergegeben habe und deshalb zu einer Disziplinarstrafe verurteilt wurde. Dies seien berufliche Beziehungen und hätten keinen Einfluss auf den Anschein der Befangenheit. Zwischen Pilz und Radasztics habe es seit vier Jahren keinen Kontakt, keine persönlichen Beziehungen gegeben.

Der KURIER berichtet live über die neuesten Entwicklungen nach dem Urteil:

LIVE

Freispruch für Kurz: So geht es weiter

  • |Philipp Wilhelmer

    Alles ist für Kurz noch nicht ausgestanden

    Mit den rechtlichen Problemen ist es für Kurz mit dem heutigen Freispruch übrigens nicht vorbei: Gegen den Ex-Kanzler laufen noch weitere Ermittlungen in der ÖVP-Inseratenaffäre - und zwar seit dem Jahr 2021. Nach Bekanntwerden dieser Vorwürfe (Stichwort: "Beinschab-Tool") war Kurz im Oktober 2021 als Kanzler zurückgetreten und wechselte als Klubchef in den Nationalrat, im Dezember desselben Jahres zog er sich dann komplett aus der Politik zurück. Der Vorwurf lautet hier im Kern, dass mit Steuergeld aus ÖVP-geführten Ministerien Umfragen bezahlt worden und in Medien platziert worden sein, von denen Kurz und die ÖVP profitiert haben sollen.

  • |Philipp Wilhelmer

    Reaktion: Die ÖVP ist erfreut

    Die ÖVP, deren Parteichef der Ex-Kanzler war, zeigte sich erfreut über den Freispruch. Parteichef und Bundeskanzler Christian Stocker erklärte nach dem Urteil: "Es hat sich nach einem sehr langen Verfahren herausgestellt, dass die Vorwürfe zu Unrecht bestanden haben. Ich freue mich für Sebastian Kurz." Auch ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti äußerte sich zufrieden: "Wir haben immer an die Unschuld von Sebastian Kurz geglaubt. Es ist gut, dass das Gericht am Ende zur Überzeugung gelangt ist, dass sich Sebastian Kurz nichts zu Schulden kommen hat lassen."

  • |Raffaela Lindorfer

    Das war's

    Wir verabschieden uns aus dem Justizpalast. 

    Einen ausführlichen Bericht finden Sie etwas später am heutigen Tag auf kurier.at und morgen im Blatt. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Kurz: "Es ist alles in sich zusammengefallen"

    Jahrelang sei er mit Vorwürfen konfrontiert gewesen, leitet Kurz ein. "Jetzt ist das alles in sich zusammengefallen."

    Was seinen Freund und Ex-Kabinettschef betrifft, bedauere er den Schuldspruch zutiefst. 

    Er werde in den nächsten Tagen noch einmal ausführlicher Stellung nehmen, sagt Kurz, und will jetzt "heim fahren zu seiner Familie". 

  • |Raffaela Lindorfer

    Statement in Kürze

    Wir Journalisten warten draußen vor der Tür, Kurz dürfte noch ein Statement abgeben. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Die Verhandlung ist geschlossen

    Die Urteile sind rechtskräftig. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Keine Milderung für Bonelli

    Zur Strafzumessung bei Bonelli sagt Röggla, dass die Milderungsgründe, die der Erstrichter berücksichtigt hat, nicht vorliegen würden. Auch die Milderungsgründe, die die WKStA heute angeführt hat, liegen nicht vor. Eine Geldstrafe lehnt der Dreiersenat ab. 

  • |Raffaela Lindorfer

    "Kein Thema, das man so schnell vergisst"

    Dass Bonelli sich nicht mehr erinnert habe, hält der Dreiersenat des OLG offenbar nicht für glaubwürdig. Er habe gewusst, dass Kurz Wolf favorisiert hat, soll es im U-Ausschuss dann vergessen und sich in Vorbereitung auf den Gerichtsprozess später wieder erinnert haben. "Es war ein zentrales Thema im U-Ausschuss. Wenn er sich vor dem Prozess vorbereitet hat, dann ist davon auszugehen, dass er sich auch vor dem U-Ausschuss vorbereitet hat." 

    Röggla: "Das ist kein Thema, das man so schnell vergisst." Der Dreiersenat geht davon aus, dass dieses Wissen durchgehend vorhanden war. 

    Dass Bonelli Angst vor strafrechtlicher Verfolgung gehabt und deshalb falsch ausgesagt haben soll, zweifelt der Dreiersenat auch an. Die Tatsache, dass Wolf Wunschkandidat war, sei eine harmlose Sache gewesen. Durch eine korrekte Antwort wäre er nicht verfolgt worden. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Bei Bonelli ist der Fall anders gelagert.

    Zur Frage im U-Ausschuss, ob Kurz gewollt habe, dass Siegfried Wolf Aufsichtsrat werde, sagte Bonelli, das wisse er nicht. Bonelli wusste aber, dass Wolf ein Favorit war, wie Chats gezeigt haben. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Zur Sache erklärt Röggla: Eine Aussage ist dann falsch, wenn sie tatsachenwidrig ist oder wenn vorsätzlich erhebliche Tatsachen verschwiegen werden und die Aussage den Anschein der Vollständigkeit erweckt. 

    Er geht noch einmal auf die Aussage von Kurz damals im U-Ausschuss ein und sagt, dass dieser die Frage zur allgemeinen Einbindung bejahte. Das sei eine Entscheidungsfrage gewesen, die er nicht hätte erweteirn müssen. 

    Längere Zeit später wurden dann andere Fragen zu anderen Themen gestellt. Als Krisper dann wieder ans Fragerecht kam, fragte sie zwar zum selben Thema, aber in eine andere Richtung. 

    Es sei einem Zeugen nicht zumutbar, dass er daran denkt, er müsse zum vorigen noch etwas erweitern. 

    Kurz habe nichts weggelassen, sagt Röggla. Der objektive Tatbestand sei damit nicht erfüllt. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Keine Befangenheit

    Röggla erklärt zur Befangenheit, dass es den behaupteten persönlichen Bezug zwischen Richter und Pilz nicht gegeben habe. Auf die Unvoreingenommenheit habe es also keinen Einfluss gegeben. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Bei Bonelli ist das Urteil bestätigt worden. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Freispruch

    Der Berufung wird Folge gegeben: Das Urteil ist aufgehoben. 

    Kurz wird von der gegen ihn erhobenen Anklage freigesprochen. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Jetzt aber!

    Der Dreiersenat kommt herein, gleich verkündet Vorsitzender Werner Röggla das Urteil. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Wir warten noch auf den Dreiersenat ...

    ... der sich ein bisschen verspätet. 

    Lang kann's nicht mehr dauern. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Kurz ist schon wieder im Saal, wie schon beim ersten Prozess am Straflandesgericht setzt er sich nicht hin. Klar: Es geht (auch) um die Optik. Er will keine Fotos von sich auf der Anklagebank. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Urteilsverkündung um 10.45 Uhr

    Der OLG-Senat muss jetzt nur kurz beraten, in ca. einer halben Stunde wird das Urteil verkündet. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Bonellis Schlussworte

    Zum Abschluss sagt Bonelli: Er sei in den U-Ausschuss gegangen, um die Fragen der Abgeordneten richtig zu beantworten. 

    Aber: "Wenn Sie trotzdem zu dem Schluss kommen sollten, dass ich falsch ausgesagt habe, bitte ich sie zu berücksichtigen, dass ich Angst vor einer strafrechtlichen Verfolgung hatte."

    Deshalb habe er so kurz und knapp formuliert. 

    Bonelli schließt mit einem Zitat des heiligen Augustinus: 

    "Denn wo ich die Wahrheit fand, da fand ich meinen Gott, die Wahrheit selbst, die ich, seitdem ich sie kennenlernte, nicht mehr vergessen habe."

  • |Raffaela Lindorfer

    Richter Radasztics beurteilte die Causa so, dass Kurz auch gar nicht vollständig aussagen wollte, sondern dass er seine Rolle bewusst heruntergespielt habe. Kurz bestreitet das. 

    "Ich würde mir wünschen, dass ich mit dem gleichen Maßstab behandelt werde wie alle anderen auch", sagt Kurz, der sich schon im ersten Prozess als Opfer von Opposition und WKStA inszeniert hat. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Die Befragung im U-Ausschuss sei teilweise "sehr sprunghaft", jeder Abgeordneter hat eine fixe Redezeit, um Fragen zu stellen, dann kommt der nächste dran. 

    "Ich halte es für zutiefst unverständlich, dass ich verurteilt wurde, weil ich nicht vollständig ausgesagt habe, weil ich unterbrochen worden bin."

  • |Raffaela Lindorfer

    Kurz ist am Wort

    In seinem Abschlussstatement geht Kurz noch einmal darauf ein, was damals, vor fünf Jahren im U-Ausschuss passiert ist. 

    "Ich habe damals versucht, die Fragen bestmöglich zu beantworten und nicht, wie andere Auskunftspersonen zu sagen, ich kann mich an nichts erinnern." Auf keinen Fall habe er etwas Falsches sagen wollen. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Koch merkt noch an, dass das Erstgericht eine Abstufung vorgenommen habe - je nach Schwere der Schuld. 

    Kurz treffe eine schwerere Schuld, weil er als höchstes Organ, als Bundeskanzler, vor einem parlamentarischen Gremium falsch ausgesagt habe. Bonelli war sein engster Mitarbeiter. 

    Koch ersucht den Senat, die Schuldsprüche zu bestätigen, allenfalls aber die Strafen herabzusetzen bzw. in Geldstrafen umzuwandeln. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Auch bei Bonelli liegt die Tat länger zurück, auch bei ihm gebe es also mildernde Gründe. Auch hier hält WKStA-Oberstaatsanwalt Koch eine Geldstrafe für denkbar. 

     

  • |Raffaela Lindorfer

    WKStA: Kurz habe sich "wohlverhalten"

    Roland Koch, der damals im Prozess die Anklage vertreten hat, ist jetzt am Wort: 

    Es sei mittlerweile mildernd hinzugekommen, dass Kurz die Tat schon vor längerer Zeit begangen und sich seither wohlverhalten habe, sagt Koch. Er schlägt daher eine Geldstrafe als Sanktion vor. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Zusammenfassend habe das Erstgericht alle Beweise umfassend erörtert und beurteilt. Aus allem ist "insgesamt ein stimmiges Bild über die tatsächlichen Begebenheiten und teilweise über die Motivation der Beteiligten vermittelt worden". 

  • |Raffaela Lindorfer

    Das Urteil sei richtig, differenziert und umfassend begründet. 

    Das Erstgericht habe damals ausführlich erhoben, Chats analysiert, etliche Zeugen befragt - darunter Thomas Schmid, der mittlerweile Kronzeuge im Casag-Verfahrenskomplex ist. Schmid sei vom Richter eine "hohe Glaubwürdigkeit" attestiert worden, im Gegensatz zu zwei Zeugen der Verteidigung. Wir erinnern uns an die zwei russischen Geschäftsmänner, die Schmid getroffen und ihn als unglaubwürdig darstellen sollten. Was nicht funktioniert hat, die beiden haben ihre Aussagen relativiert. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Purkart verweist auf die schriftlichen Ausführungen der WKStA, nur eines merkt er an: 

    Die Nichtigkeit, die behauptet wurde, bezieht sich auf eine angebliche Befangenheit des Richters. Es gebe laut Purkart keine Hinweise darauf, dass zwischen Michael Radasztics und Peter Pilz ein Naheverhältnis existiere, sagt Purkart. Pilz habe auch mit dem Verfahren gegen Kurz und Bonelli "überhaupt nichts zu tun". 

    "Wir haben keine Zweifel an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Richters", sagt Purkart.

  • |Raffaela Lindorfer

    Die WKStA ist dran

    Purkart will sich auf das Wesentliche beschränken. 

    Die WKStA hat die erstinstanzlichen Urteile nicht angefochten, war mit den Teilfreisprüchen (Kurz wurde nur zu einem von drei Anklagepunkten verurteilt) und den Strafen von acht bzw. sechs Monaten einverstanden. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Auch Suppan ersucht um einen Freispruch für seinen Mandanten. 

    Jetzt ist Matthias Purkart, WKStA, dran. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Im Gegensatz zu Kurz hat das Erstgericht Bonelli den Aussagenotstand zugebilligt. Bonelli, der einige Zeit nach Kurz im U-Ausschuss war, habe Angst vor einer strafrechtlichen Verfolgung gehabt. 

    Aussagenotstand bedeutet, dass man falsch aussagen darf, wenn zu befürchten ist, durch eine wahre Aussage und durch Schweigen strafrechtlich verfolgt zu werden. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Suppan erläutert jetzt im Detail, was damals im U-Ausschuss gefragt wurde, erklärt, er hält das Urteil für nichtig, legt aber "diese Frage in die Hände des Senats". 

  • |Raffaela Lindorfer

    "Politisches Kampffeld"

    "Vor welchem Gericht würde die unvollständige Befragung eines zeitlichen Ablaufs unterbrochen und dann verurteilt werden?", sagt Suppan. Vor welchem Gericht würde feindselig befragt werden, welches Gericht würde versuchen, einen Zeugen "zu besiegen"? 

    Kurz und Bonelli sei genau das passiert, deutet Suppan damit ab. U-Ausschüsse seien "politische Kampffelder". 

  • |Raffaela Lindorfer

    Zur Erinnerung: Bernhard Bonelli war Kabinettschef des damaligen ÖVP-Kanzlers Kurz während der türkis-blauen Regierung. Auch er wurde im U-Ausschuss zu den Bestellungsvorgängen bei der ÖBAG befragt und soll falsch ausgesagt haben. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Dietrich ersucht den Senat, Kurz freizusprechen - und setzt sich. Jetzt ist Werner Suppan, Verteidiger von Bernhard Bonelli, dran. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Der objektive Beobachter könne den "Anschein von Befangenheit" nicht übersehen, sagt Dietrich. Damit sei ein Schaden an der Justiz angerichtet. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Erzfeind Pilz

    Zweiter Punkt: die angebliche Befangenheit des Richters. 

    Michael Radasztics hat in seiner Zeit als Staatsanwalt dem damaligen Abgeordneten Peter Pilz Informationen aus dem Eurofighter-Akt gegeben und wurde dafür disziplinarrechtlich verurteilt. 

    Pilz sei einer der härtesten Gegner von Kurz, sagt Dietrich, er bezeichnete seine Regierung als "Regime", schrieb über ihn ein Buch. 

    Für ihn, Dietrich, sei es "unvorstellbar, dass so ein Richter dieses Verfahren führt". 

  • |Raffaela Lindorfer

    Noch einmal zusammengefasst: 

    Kurz sei zwar gefragt worden, ob er zur Aufsichtsratsbesetzung Wahrnehmungen hatte, aber die Umstände oder nähere Details seien von den Abgeordneten nicht erfragt oder näher thematisiert worden. "Sondern mit einer Unterstellung und einem strafrechtlichen Vorwurf konfrontiert." Nun wurde er bestraft, weil er unvollständig ausgesagt haben soll. 

  • |Raffaela Lindorfer

    "Wahrheitsgemäß" bedeute beim U-Ausschuss und beim Strafverfahren also nicht das gleiche, sagt Dietrich. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Im U-Ausschuss geht es um die "politische Wahrheit", und diese sei nie vollständig, erklärt Dietrich weiter. Und es gebe noch mehr Unterschiede: 

    Abgeordnete können oberflächlich fragen, je nachdem, wie es ihnen in die politische Agenda passt. Ein Staatsanwalt muss vollinhaltlich und objektiv fragen, um alle Tatsachen aufzuklären. 

    Zudem sei die Befragung im U-Ausschuss zeitlich begrenzt, ein Strafverfahren ist das nicht. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Wann ist eine Aussage falsch?

    Das Erstgericht stützt sein Urteil darauf, dass eine nicht vollständige Aussage auch eine Falschaussage sein kann. 

    Diese Rechtsansicht sei falsch, sagt Dietrich. 

    Dietrich betont: "Dass in einem parlamentarischen Demokratie wichtige Institut des U-Ausschusses soll nicht geschwächt werden." Aber es gebe de facto ja Unterschiede zwischen Aussagen in einem Strafverfahren und einem U-Ausschuss. Eine Staatsanwaltschaft müsse objektiv fragen, eine Abgeordnete im U-Ausschuss nicht. Bei beiden gilt aber Wahrheitspflicht - das kritisiert Dietrich. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Nach der "unterstellenden Frage" habe sich die Verfahrensrichterin eingeschaltet, was Krisper nicht davon abgehalten habe, weiter zu polemisieren. 

    Die Umstände, die Kurz verschwiegen haben soll, seien da eine Themenverfehlung gewesen. Kurzum: Sein Mandant habe keine Chance mehr gehabt, weiter auf die Bestellung einzugehen. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Otto Dietrich beginnt mit seinen Berufungsausführungen: 

    Sein Mandant Kurz sei vor fünf jahren vier Stunden lang im U-Ausschuss befragt - mitten in der Corona-Krise, wie er anmerkt. Er habe sich bemüht, die Fragen "bestmöglich" zu beantworten. "Und was hat ihm das gebracht? Eine Verurteilung, weil er falsch ausgesagt haben soll."

    Dietrich will sich den Ablauf "einmal im Detail anschauen". Befragt wurde Kurz damals von der Neos-Abgeordneten Stephanie Krisper. Ob er in die Bestellungsvorgänge bei der ÖBAG eingebunden gewesen sei, wollte sie wissen. 

    Kurz erklärte, dass grundsätzlich die Minister die Entscheidungen treffen, er aber informiert und um seine Meinung gefragt werde. Krisper bohrte nach, sie wollte keine allgemeine Auskunft haben, sondern wissen, wie es im Detail war. Dann wurde unterbrochen, weil Krispers Redezeit vorbei war. 

    "Herr Kurz wird also unterbrochen und kann auf die Frage nicht mehr weiter eingehen, weil das Fragerecht an die nächste Fraktion ging." 

    Die Vorgänge bei der Bestellung wurden nicht mehr weiter aufgegriffen, auch nicht von Krisper, als sie wieder an der Reihe war. Stattdessen habe sie Kurz einen strafrechtlichen Vorwurf zu angeblichen Parteispendern gemacht, die in den Aufsichtsrat gekommen sein sollen. Dagegen hat sich Kurz dann gewehrt. 

    Das aber nur am Rande - um diesen Vorwurf geht es heute nicht. 

    Dietrich will damit nur zeigen, dass Kurz keine Chance gehabt hätte, seine Rolle bei der ÖBAG näher auszuführen, weil es dann um etwas anderes gegangen sei. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Ein Richter liest vor, was bisher geschah: Kurz wurde im Februar 2024 zu acht, Bonelli zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt, weil sie im U-Ausschuss im Juni 2020 falsch ausgesagt haben sollen. 

    Wir sind noch in der Unschuldsvermutung, das erstinstanzliche Urteil war ja nie rechtskräftig. Das wird heute entschieden. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Es geht los

    Die Fotografen müssen den Saal verlassen, Kurz, Bonelli und ihre Verteidiger Werner Suppan und Otto Dietrich haben rechts Platz genommen, die WKStA-Vertreter Roland Koch und Mathias Purkart links, vorne sitzen ein dreiköpfiger Richtersenat und eine Schriftführerin. 

  • |Raffaela Lindorfer

    Guten Morgen aus dem Justizpalast!

    Ex-Kanzler Sebastian Kurz hat gegen 8.45 Uhr den Justizpalast betreten, um 9 Uhr beginnt im Festsaal seine Berufungsverhandlung. 

    Vor den wartenden Journalisten und Kameras erklärte Kurz noch einmal, worum es - aus seiner Sicht geht. Um seine strafrechtliche Verurteilung in erster Instanz, das er "nur schwer nachvollziehen" könne. Er thematisiert, dass er verurteilt wurde, weil er im U-Ausschuss 2020 "zwar nichts Falsches", aber nicht vollständig zu seiner Rolle rund um die Staatsholding ÖBAG ausgesagt hat. Kurz sagt, er sei unterbrochen worden. 

    Zweitens: eine angebliche Befangenheit seines Richters, der schon einmal diszplinarrechtich verurteilt wurde, weil er dem früheren Abgeordneten Peter Pilz Infos gesteckt hat. "Es ist für mich schwer nachvollziehbar, dass dieser Richter meiner sein soll", sagte Kurz. 

    Was er sich von heute erwartet? "Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand", sagt er. 

  • |Josef Siffert

    Guten Morgen

    Das Oberlandesgericht Wien befasst sich heute mit den Schuldsprüchen gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz und dessen ehemaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli. Kurz wurde im Februar vergangenen Jahres wegen Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss zu acht Monaten bedingter Haft verurteilt, Bonelli fasste sechs Monate bedingt aus. Beide meldeten dagegen Berufung an. Um 9 Uhr geht´s los. Aus dem Justizpalast hält Sie Kollegin Raffaela Lindorfer auf dem Laufenden.

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