Nancy Faeser und Gerhard Karner waren als erste Innenminister seit dem Sturz des Assad-Regimes in Damaskus und verhandelten mit ihrem Amtskollegen über die Rücknahme von Geflüchteten. Eine heikle Mission.
Am Ende der Reise, kurz vor der Landung in Wien, bedankt sich Nancy Faeser bei ihren Mitreisenden „für das Vertrauen“. Was die deutsche Innenministerin meint, versteht man, wenn man 24 Stunden zurückspult.
Faeser und ihr österreichischer Amtskollege Gerhard Karner sitzen Sonntagmittag im Bauch eines Airbus A400M der deutschen Luftwaffe. Die roten Gurte festgezurrt, die Tasche unter dem Sitz verstaut, den Sitz sowieso aufrecht, weil an der Längsseite im militärischen Transportflieger befestigt.
Die Männer der Einheit „Auslands- und Spezialeinsätze“ (ASE) sind voll adjustiert – der groß gewachsene Scharfschütze mit Sturmhaube unterm Helm und Fernglas; der kleinere Bullige mit Sturmgewehr in den Händen und Blendgranate im Holster. Es streift einen der Gedanke, auf welche möglichen Szenarien sich diese Männer wohl vorbereitet haben, da geht im Heck schon die Klappe auf und es ruft jemand: „Wir gehen raus.“
Vorher sollen sich alle Passagiere noch eine kugelsichere Weste und einen Stahlhelm nehmen. „Nur für alle Fälle.“ Wir gehen also raus.
Die Sonne brennt grell auf den Asphalt des kleinen Flughafens in Damaskus, der Hauptstadt von Syrien. Die Delegationen aus Deutschland und Österreich werden herzlich empfangen, bekommen später Gebäck mit Sesam und Pistazien, starken Kaffee und süßen Tee serviert.
Es ist ein Besuch bei Rebellen, die früher für die Al-Kaida und zuletzt für die islamistische Miliz Hayat Tahrir Al-Sham (Komitee für die Befreiung Syriens, kurz: HTS) gekämpft und im Dezember das Assad-Regime gestürzt haben.
Auch der Politiker in Anzug und Krawatte, den Faeser und Karner jetzt ihren Amtskollegen nennen und mit dem sie über die Rücknahme von Geflüchteten verhandeln, war (per Definition vieler Staaten weltweit) einmal Terrorist.
Karner wird später sagen, dass er als österreichischer Innenminister tut, was die Bevölkerung sich erwartet: Schritte setzen, damit Straftäter und Gefährder, die in Europa kein Recht auf Asyl haben, abgeschoben werden können. Und dass Gespräche in der Politik eben manchmal schwierig seien.
Faeser erklärt, dass nach fast 14 Jahren Bürgerkrieg und Unterdrückung in Syrien „die Hoffnung auf eine friedliche Entwicklung“ bestehe und es jetzt an der Zeit sei, gute Kontakte aufzubauen.
Zumindest der Weg vom Flughafen zum Amtssitz von Innenminister Anas Khattab in Damaskus wirkt recht friedlich. Am Straßenrand sitzen alle paar Hundert Meter Männer in Plastik-Gartenstühlen und plaudern; dazwischen ein Verkaufsstand mit Plastik-Gartenstühlen.
Frauen sind mit Schleier und Einkaufstaschen unterwegs, Kinder kurven mit klapprigen Fahrrädern durch den Schutt. Wohnblöcke neben der Schnellstraße gleichen eher Baracken. Je näher man der Innenstadt kommt, desto eher sehen die Gebäude (wieder?) intakt aus.
Bis vor knapp fünf Monaten wurde in Damaskus gekämpft, gebombt, gestorben. Infrastruktur und Energieversorgung sind zu weiten Teilen zerstört. 90 Prozent der syrischen Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, schätzt die UNO-Flüchtlingshilfe.
Die Sicherheitslage im Land ist volatil. Einige Gruppierungen haben ein Interesse daran, dass die Regierung, die der ehemalige Rebellenführer und jetzige Interimspräsident Ahmed al-Scharaa am 30. März ernannt hat, scheitert.
Deshalb auch die hohen Sicherheitsvorkehrungen rund um die Reise der Innenminister Faeser und Karner am vergangenen Sonntag. Vorab durften Medien nicht darüber berichten – das würde sich in Syrien herumsprechen, hieß es. Eine Reise, die Ende März geplant war, musste schon wegen „konkreter Warnhinweise auf eine terroristische Bedrohung“ abgesagt werden.
Faeser und Karner sind die ersten Innenminister europäischer Länder, die hier zu Gast sind, und ihr Wunsch an ihren Gastgeber ist klar.
Der wiederum formuliert seinen Wunsch – wie in der arabischen Kultur üblich – höflich verklausuliert gegenüber Journalisten so: Seine Landsleute, die Syrien im Krieg verlassen haben, wären „ermutigt, im größeren Umfang zurückzukehren“, wenn es hier Arbeitsplätze und intakte Infrastruktur gäbe.
Darauf sei die Interimsregierung nun konzentriert. Von Europa erhofft sie sich die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen, die dem Assad-Regime galten und derzeit nur ausgesetzt sind.
Als erstes Zeichen des guten Willens boten Faeser und Karner an, bei der Ausbildung von Polizeikräften zu unterstützen, während die syrische Seite zusagte, dass wieder Pässe und Dokumente ausgestellt werden, um Geflüchteten die Heimreise zu ermöglichen.
An dieser Stelle die Bemerkung zu machen, dass die Heimreise der europäischen Gäste reibungslos verlaufen sei, wäre platt. Nur so viel: Schutzwesten und Helme konnten unbenutzt wieder im Militärflieger verstaut werden.
(kurier.at, lin)
|
Aktualisiert am 28.04.2025, 18:05
Kommentare