Bis heute ist nicht ganz klar, wie es zu dem verheerenden Brand vor 80 Jahren kam. Mutmaßlich brach das Feuer infolge von Kampfhandlungen zwischen der sich zurückziehenden Deutschen Wehrmacht und der Roten Armee aus, wie Dombaumeister Wolfgang Zehetner gegenüber der Kathpress erklärte – womit er Forschungen bestätigte, die bereits vor fünf Jahren, zum 75-Jahr-Gedenken, präsentiert worden waren. Demnach hätten Granaten die Häuserfront an der Westfassade des Doms entzündet, der Brand habe über ein Gerüst am Nordturm auf den gewaltigen hölzernen Dachstuhl übergegriffen.
Das Drama begann in der Nacht vom 11. auf den 12. April. Am Donnerstag, den 12. April, um 14.30 Uhr stürzte die aus dem Jahr 1711 stammende, im Südturm hängende, 22 Tonnen schwere Pummerin zum Boden und zerschellte. Tags darauf stürzte das Gewölbe ein. Da die Wasserleitungen zerstört waren, stand kein Löschwasser zur Verfügung.
Vom damaligen Wiener Erzbischof Kardinal Theodor Innitzer (1875–1955) ist überliefert, dass er, inmitten der noch glosenden Trümmer „seiner“ Bischofskirche stehend, lakonisch bemerkt haben soll: „Na, wir werden ihn halt wieder aufbauen müssen.“ (Etwas von dieser Mischung aus Pragmatismus und gelassener Zuversicht trotz Not und Elend möchte man unserer wohlstandssatten und dennoch dauererregten Zeit wünschen.)
Dass der Dom wiederaufgebaut werden konnte, ist dem niedersächsischen Wehrmachtsoffizier Gerhard Klinkicht (1915–2000) zu verdanken: Angesichts der vorrückenden russischen Truppen hatten Unbekannte auf dem Stephansdom eine weiße Fahne als Symbol kampfloser Aufgabe gehisst. Als Vergeltung dafür ordnete bereits am 10. April eine SS-Abteilung an, der Dom sei „mit einem Feuerschlag von 100 Granaten in Schutt und Asche zu legen“ und „sollte das nicht ausreichen, ist bis zu seiner Zerstörung weiterzuschießen“. Diesem Befehl widersetzte sich Klinkicht und gab seinen Soldaten die entsprechende Anweisung. Bei der feierlichen Wiedereröffnung des Doms im April 1952 würdigte Innitzer den eingeladenen Klinkicht: „Ihr Name ist in den Annalen der Stephanskirche ehrenvoll verzeichnet. […] Gott segne Sie immerdar für Ihre mutige, edle Tat!“ Heute erinnert eine Tafel an der Südfassade an die mutige Befehlsverweigerung.
Bereits am 25. April 1945, zwei Tage vor der Proklamation der Unabhängigkeitserklärung Österreichs, wurde mit den Aufräumarbeiten begonnen. Spendeninitiativen für den Wiederaufbau wurden gestartet, später schlossen sich Bund und Länder mit Millionenbeträgen an. Im Dezember 1948 konnte das Langhaus eröffnet und der erste Festgottesdienst seit Ostern 1945 (1. April) im Stephansdom gefeiert werden.
Die festliche Wiedereröffnung des gesamten Doms fand dann am 23. April (der Weihetag von St. Stephan, 1340) 1952 statt. In einem Triumphzug wurde die unter anderem aus den Resten der alten Pummerin in St. Florian (OÖ) neu gegossene Riesenglocke nach Wien gebracht. Zunächst hing sie in einem provisorischen Gestell neben dem Dom, erst 1957 konnte sie auf den Nordturm hochgezogen werden.
Beim Festgottesdienst am 27. April 1952 war auch Papst Pius XII. (1876–1958) zugeschaltet, der auf Deutsch erklärte: „Was Ihr vollbracht, ist eine gewaltige Leistung.“ Erstmals ertönte im Rahmen der Liturgie – an der Bundespräsident Theodor Körner, die Bundesregierung sowie alle Bischöfe des Landes teilnahmen – die neue Pummerin.
Am Freitag erinnerte auch Innitzers Nachnachnachfolger Kardinal Christoph Schönborn an die Ereignisse vor 80 Jahren. Er zog dabei in seiner Heute-Kolumne eine Parallele zum Brand von Notre-Dame in Paris 2019, die im Dezember 2024 – ebenfalls binnen kurzer Zeit – wiedereröffnet werden konnte. Und mit Blick auf das bevorstehende Osterfest schloss Schönborn: „Der Dom sagt mir: das Leben ist stärker als der Tod.“
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