Kletterschuh-Abrieb sorgt für dicke Luft in Boulderhallen

Der Abrieb der Kletterschuhe sorgt für Feinstaubbelastung in Kletterhallen.
- Forschende aus Wien und Lausanne zeigen, dass Abrieb von Kletterschuhsohlen in Boulderhallen hohe Partikelkonzentrationen mit potenziell schädlichen Chemikalien freisetzt.
- Die Feinstaubbelastung in den untersuchten Hallen ist vergleichbar mit der an viel befahrenen Straßen, wobei 15 Additive in den Gummisohlen identifiziert wurden.
- Maßnahmen wie bessere Belüftung und schadstoffärmere Sohlenmaterialien werden empfohlen, um die Luftqualität in Kletterhallen zu verbessern.
Kletterschuhe sind nicht nur wegen ihres Geruchs berüchtigt – in Kletterhallen sorgen sie auch auf andere Weise für schlechte Luft. Forschende aus Wien und Lausanne haben nun nachgewiesen, dass der Abrieb der Gummisohlen in Boulderhallen hohe Konzentrationen von Partikeln mit potenziell schädlichen Chemikalien freisetzt. Teilweise lagen die Werte sogar über jenen, die an stark befahrenen Straßen gemessen werden.
Bereits frühere Untersuchungen hatten gezeigt, dass in Kletterhallen eine hohe Feinstaubbelastung herrscht, die vor allem auf Chalk (Magnesiumcarbonat) zurückzuführen ist – ein Pulver, das Kletterern besseren Halt verschafft. In der aktuellen Studie, die im Fachjournal Environmental Science and Technology Air erschienen ist, rückten die Forschenden nun eine weitere Partikelquelle in den Fokus: die Gummisohlen der Kletterschuhe.
Schuhsohlen ähneln Autoreifen
Damit Kletterschuhe Schutz, Flexibilität und Grip bieten, bestehen ihre Sohlen aus speziell entwickelten Gummimischungen. „Ihre Sohlen sind Hochleistungsprodukte, genau wie Autoreifen“, erklärt Anya Sherman, Erstautorin der Studie vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft (CeMESS) der Universität Wien. Wie bei Autoreifen werden den Sohlen sogenannte Additive zugesetzt, die das Material widerstandsfähiger und langlebiger machen – Substanzen, die im Verdacht stehen, schädliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt zu haben.
Das Team um Thilo Hofmann vom CeMESS hatte bereits zuvor nachgewiesen, dass Reifenabrieb über Wind und Abwasser auf landwirtschaftliche Flächen gelangt und dort von Pflanzen aufgenommen wird.
Kletterer setzen Abrieb in die Luft frei
Sherman und ihr Kollege Thibault Masset von der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) sind nicht nur Umweltforscher, sondern auch selbst begeisterte Kletterer. „Wir kannten die schwarzen Rückstände auf den Griffen in Kletterhallen, den Abrieb der Schuhsohlen. Kletterer wischen diesen für besseren Halt weg und wirbeln ihn dadurch in die Luft“, berichtet Sherman.
Mit Methoden, die sie sonst zur Analyse von Reifenabrieb verwenden, untersuchten sie den Gummi von Kletterschuhen und die Luftqualität in Boulderhallen. Mithilfe eines speziellen Geräts („Impinger“), das die Partikelaufnahme durch die menschliche Atmung simuliert, sammelten sie Luftproben in fünf Wiener Boulderhallen sowie in Kletterhallen in Frankreich, Spanien und der Schweiz.
Feinstaubbelastung wie auf Großstadtstraßen
Die gemessene Belastung war deutlich höher als erwartet. „Die Werte, die wir gemessen haben, gehören zu den höchsten, die bisher weltweit je dokumentiert wurden, vergleichbar mit mehrspurigen Straßen in Megastädten“, berichtet Thilo Hofmann. Besonders hoch war die Konzentration dort, wo viele Menschen gleichzeitig auf engem Raum kletterten.
In den Sohlen von 30 untersuchten Kletterschuhen fanden die Forschenden insgesamt 15 verschiedene Additive – darunter Benzothiazol (BTZ) und den Stabilisator 6PPD, dessen Abbauprodukt mit Lachssterben in Gewässern in Verbindung gebracht wird.
„Stoffe gehören nicht in Atemluft“
Welche Auswirkungen die eingeatmeten Partikel und Chemikalien auf die Gesundheit haben, ist bisher nicht abschließend geklärt. Hofmann warnt jedoch: „Diese Stoffe gehören nicht in die Atemluft. Es ist sinnvoll zu handeln, schon bevor wir alle Risiken genau kennen, gerade mit Blick auf empfindliche Gruppen wie Kinder.“
Die Betreiber der untersuchten Boulderhallen hätten laut den Forschern großes Interesse gezeigt, die Luftqualität zu verbessern. Maßnahmen wie bessere Belüftung, häufigere Reinigung, die Vermeidung von Stoßzeiten oder der Einsatz von Kletterschuhen mit weniger Additiven könnten helfen. Hofmann sieht aber auch die Hersteller in der Verantwortung: Sie seien sich der Problematik bislang zu wenig bewusst – und „essenziell ist ein Umstieg auf schadstoffärmere Sohlenmaterialien“, so der Forscher.
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