Ich habe im Auftrag des damaligen Gouverneurs der Postsparkasse Max Kothbauer eine erste Online-Studie gemacht zu dem Thema. Das hat sich sehr unterschieden von vielen anderen Studien. Da ging es nicht um eine reine wirtschaftshistorische Aufarbeitung, sondern wir haben zum ersten Mal ins Internet eine Liste mit stehengebliebenen Konten und Namen veröffentlicht und haben dann auch mit Nachkommen Korrespondenz aufgenommen. Es waren zwar sehr kleine Beträge, aber für viele war es einfach wichtig, mehr über ihre Vorfahren zu erfahren, die entweder ermordet wurden oder ins Exil getrieben wurden. Das war so eine erste, frühe Arbeit, auch Ende der 1990er-Jahre, und dann gefolgt von einer großen Arbeit für die voestalpine über die Reichswerke Hermann Göring und über die Elektrizitätswirtschaft.
Bei vielen Unternehmen ist es heute noch so, dass die Zeit zwischen der Weltwirtschaftskrise und 1945 ein blinder Fleck in der Unternehmensgeschichte ist.
Das ist sicherlich richtig, dass manche Unternehmen noch immer glauben, dass es marketingschädigend ist, wenn man sich mit dieser Zeit auseinandersetzt. Wem man genau hinschaut, auch die Situation in Deutschland ansieht, ist genau das Gegenteil der Fall. Ich habe gemeinsam mit Gerald Feldman, einem amerikanischen, leider schon verstorbenen Historiker, und anderen Kolleginnen eine Studie über die Creditanstalt Bankverein, Zentralsparkasse und Länderbank gemacht. Hier sind alle Rückmeldungen positiv gewesen. Die Öffentlichkeit will eigentlich die komplette historische Wahrheit. Wenn man sich schon mit Geschichte in einem Unternehmen beschäftigt, dann kann man bestimmte Zeiten, auch wenn sie dunkel, grausam und unangenehm sind, nicht auslassen.
Es ist oft in Unternehmen deshalb die NS-Zeit nicht aufgearbeitet worden, weil die Unternehmer oder Manager aus der NS-Zeit nach dem Krieg weiterhin tätig waren.
Ja, das ist richtig. Also man merkt das vor allem bei Unternehmen, auch in Deutschland übrigens, wo die Eigentümer auch im Exekutivbereich, also als CEOs tätig sind und wenn die eine Beziehung zur NS-Zeit haben, auch teilweise die Nachkommen erster Generation sind da sehr zurückhaltend, da ist es dann meistens die zweite Generation oder dann jüngere Manager, die einen ganz anderen Zugang haben zum Thema. In den 1950er, 1960er 1970er-Jahren sind Manager oder Eigentümer aus der NS-Zeit noch präsent und Verhinderer.
Sie haben die Energiewirtschaft angesprochen. Sie haben zum Verbund eine Studie gemacht?
Der Verbund ist auf mich zugekommen, wie übrigens Unternehmen bei allen Studien auch. Ich habe das auch bei dem Thema vermieden, jemanden offensiv anzusprechen. Eine wichtige Grundvoraussetzung bei all diesen Arbeiten, beginnend mit der Postsparkasse, war immer die, dass es vom Unternehmen ausgeht. Ich habe auch etwas für die Nationalbank gemacht, gemeinsam mit einem Kollegen. Auch da hat der damalige Gouverneur Ewald Nowotny den Auftrag gegeben.
Sie haben aber auch eine viel beachtete Zwangsarbeiter-Studie verfasst.
Unsere Zwangsarbeitsstudie zur Elektrizitätswirtschaft in der Ostmark ist 2014 in einer zweiten Auflage erschienen. Beim Verbund waren 10.000 Zwangsarbeiter und 5.000 Kriegsgefangene eingesetzt. Wir haben das nach Baustellen aufgebrochen. Also z. B. Tauernkraftwerk Kaprun, dann Drau-Kraftwerke, dann das Umspannwerk Ernsthofen und eben auch die Donaukraft Persenbeug. Wir haben versucht, immer auch die lokalen Dinge uns genau anzusehen. Also ähnlich wie wir das auch bei dem Baukonzern Porr AG gemacht haben.
Also diese Kraftwerksbauten haben schon in der NS-Zeit begonnen?
Genau. Das beste Beispiel ist Kaprun. Das war ein Propagandaprojekt, völlig verrückt in so einer extremen Lage zu bauen, weil ja auch das Kraftwerk nicht ständig betrieben werden konnte. Aber Göring hat das ja selbst eröffnet. Und dann ist Kaprun ein gutes Beispiel, dass ungefähr ein Drittel des Kraftwerks fertig war, mit Zwangsarbeitern, vielen Kriegsgefangenen, auch mit Opfern, vor allem auch aufgrund der extremen Baustellen. Und dann nach dem Krieg war das Projekt das Symbol des österreichischen Wiederaufbaus. Die Männer von Kaprun, da waren auch eine Reihe von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern dann dabei, die da gearbeitet haben. Das war so ein Symbol, also was die Deutschen nicht schaffen, das schaffen wir. Das für uns auch Erschütternde war, dass es aufgrund der extremen Baustellen und der Lawinengefahr zu auch hohen Todesopfern nach 1945 gekommen ist.
Sie haben einmal den Ausspruch getätigt: Viele Unternehmen würde es ohne die damalige Zwangs- und Sklavenarbeit gar nicht geben.
Völlig richtig. Also wenn man sich rein jetzt die österreichische Wirtschaftsstruktur vor dem Anschluss 1938 ansieht und dann zu Kriegsende 1945, so hat sich trotz der Zerstörungen durch Kriegseinwirkung und Bombenangriffe die Wirtschaftsstruktur total verändert aufgrund von massiver Kriegsrüstung und Investitionen. Also nehmen Sie die Erdölindustrie, de facto nicht existent vor 1938, bis 1945 wurde sie von den Nationalsozialisten hochgezogen und dasselbe gilt für den gesamten Bereich der Grundstoffindustrie, Chemie, chemische Industrie. Also so furchtbar das klingt, aber Österreich wurde ja mit dem Blut und den Tränen von Zwangsarbeitern, Sklavenarbeitern, Kriegsgefangenen innerhalb von sechs Jahren zu einem Industrieland.
Stichwort: Verstaatlichte Industrie…
Also die verstaatlichte Industrie nach 1945 hätte es in dieser Form gar nicht gegeben. Ohne Zwangsarbeit wäre weder im Industriebereich noch in der Landwirtschaft überhaupt etwas im Deutschen Reich möglich gewesen, da ja hohe Anteile der männlichen Arbeitskräfte zum Dienst in der Wehrmacht eingezogen waren.
Sie haben auch über die Bundesforste geforscht
Da haben wir auch eine interessante Studie gemacht, wo es teilweise eher um Arisierungen gegangen ist. Und auch hier ist der Arbeitskräftemangel so groß. Ich habe auch eine kleine Studie für die Bundesgärten gemacht, wo man auch sieht, dass selbst in dem Bereich ohne ausländische Zwangsarbeiter überhaupt nichts mehr möglich war.
Der Vorläufer der voestalpine in Linz waren die Reichwerke Hermann Göring. Sie ist erst 1946 gegründet worden. Bei der voest wurden die Archive lange blockiert?
Ja, da gab es lange Schwierigkeiten. Es gibt immer zwei Grundvoraussetzungen für mich für solche Projekte. Erstens ist totale wissenschaftliche Unabhängigkeit, also kein einziger Zensurstrich ist möglich. Inhaltliche Fehler kann man immer diskutieren, aber die Analyse und Wertung muss Historikern und Historikerinnen überlassen bleiben. Und das Zweite ist immer vollen Einblick in vorhandene Unterlagen. Wir haben damals bei der voestalpine in einem ehemaligen Luftschutzturm zigtausende Zwangsarbeiterlohnunterlagen gefunden.
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