Wie der Ex-Staatssekretär die Niederlage als Innsbrucker Bürgermeisterkandidat verdaut hat, welche Bedeutung der Cartellverband in der ÖVP hat, und worüber er im Vodafone-Thinktank nachdenkt.
Der Tiroler hat Österreich den Rücken gekehrt, lebt in der Schweiz und pendelt nach Deutschland.
KURIER:Sie sind erst 36, haben Ihre politische Karriere aber schon hinter sich. Sind Sie nun von der Politik "geheilt"?
Florian Tursky: Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich ein politischer Mensch bin. Jetzt bin ich einmal die nächsten Jahre in der Privatwirtschaft und freue mich darauf.
Sie kamen aus dem Marketing, waren davor schon Chef der Jungen ÖVP Tirol. 2017 hat Sie Landeshauptmann Platter geholt: zuerst als Sprecher, dann als Büroleiter. War er Ihr Mentor?
Nicht wirklich. Wir kamen aus zwei völlig unterschiedlichen Welten in der Volkspartei: Was für ihn die Blasmusik war, war für mich der Cartellverband. Ich bin eher urban geprägt gewesen, während er als Bürgermeister aufgestiegen ist. Er hat mir später einmal gestanden, dass er überhaupt nicht sicher war, ob das mit uns funktioniert. Aber ich habe sehr viel von ihm gelernt – unter anderem, dass es kein Nachteil ist, unterschätzt zu werden. Und er hatte ein gutes Bauchgefühl dafür, was die Menschen bewegt.
Wie wichtig ist der Cartellverband in Ihrem Leben – und in der ÖVP?
Es ist ein totaler Irrglaube, dass der CV eine Rolle in der ÖVP spielt, aber es spielen CVer eine Rolle in der ÖVP. Ich habe als einstiger CV-Präsident Führungserfahrung gesammelt, habe viel gesehen und viele Leute kennengelernt. Das hat mich sehr geprägt.
2022 sind Sie Staatssekretär im Finanzministerium geworden und haben sich um Digitalisierung gekümmert. Ein cooler Job – welcher Teufel hat Sie geritten, das nach eineinhalb Jahren aufzugeben, um in die Innsbrucker Wahl zu ziehen? Ja, es war unglaublich toll. Auch, weil mir Magnus Brunner Platz gelassen hat, was zwischen Ministern und Staatssekretären nicht immer selbstverständlich ist. Aber dann hat sich die Chance ergeben, das bürgerliche Lager in meiner Heimatstadt zu einen und mehr aus Innsbruck zu machen.
Bereuen Sie es?
Ich hätte wahnsinnig bereut, es nicht probiert zu haben. Es war ein zutiefst ehrliches Unterfangen. Ich würde es wieder tun, auch wenn es nicht so ausgegangen ist, wie ich gehofft hatte. Natürlich war es ein persönlicher und politischer Niederschlag. Ganz sicher habe ich die Querelen innerhalb von Innsbruck unterschätzt. Ich wurde außerdem viel mehr als Wiener wahrgenommen, als ich gedacht hatte. Ich wurde nicht als hier verwurzelt betrachtet. Dabei bin ich in Innsbruck aufgewachsen.
Warum haben Sie das Staatssekretariat nicht behalten?
Das stand für mich außer Frage, weil ich diese ewige Diskussion nicht haben wollte: „Wenn es nix wird, hat er eh seinen Plan B.“ Aber natürlich ist es mir danach nicht gut gegangen. Ich habe die Flucht nach vorne ergriffen und einen begonnenen postgradualen Master in „Digital Business and Tech Law“ fertiggemacht. Ich habe mich privatwirtschaftlich neu aufgestellt. Außerdem war ich in die ÖVP-Programmarbeit und in die Koalitionsverhandlungen eingebunden.
Dort haben Sie das Kapitel Digitalisierung mitverhandelt. Wie haben Sie die Gespräche empfunden? Sehr gut – bei der Digitalisierung ist uns im Programm viel gelungen. Beim Prozess wurde uns vorgeworfen, dass er zu aufwendig aufgesetzt war. Aber am Ende haben wir erarbeitet, worauf das jetzige, sehr gute Koalitionspapier aufbaut.
Alexander Pröll, der neue ÖVP-Regierungskoordinator, ist als Staatssekretär auch für Digitalisierung zuständig und will nun die ID Austria benutzerfreundlicher machen. Haben Sie das zu kompliziert gestaltet?
Ich freue mich wahnsinnig, dass Alexander Pröll dieses Portfolio hat, weil er nicht nur seit Jahren ein guter Freund von mir ist, sondern auch, weil er die Koordinierung und den öffentlichen Dienst hat: Das benötigt man, um in der Digitalisierung etwas voranzubringen. Ich habe immer gesagt, die ID Austria und das Digitale Amt müssen viel einfacher werden – so einfach wie Tinder.
Österreich hatte oft kein glückliches Händchen bei der Digitalisierung – vom schnell wieder geschlossenen „Kaufhaus Österreich“, bis zum Post-Online-Kauf-Kanal „shöpping.at“, der auch nicht so richtig abhebt.
Das sind alles keine relevanten Digitalisierungsprojekte, die den Standort weiterbringen. Diese finden eher im Hintergrund statt, da geht es um Datenverbindung. Also etwa: Wie gelingt es, die Führerschein-Daten mit der ID Austria so zu verknüpfen, dass man einen digitalen Führerschein haben kann? Oder wie schaffen wir es, dass Firmen künftig über das Unternehmensserviceportal alle ihre Förderungen abwickeln können?
Hat Europa bei der Digitalisierung denn noch eine Chance, sich global zu profilieren?
Mit Bleistift und Papier werden wir sicherlich nicht die Welt retten und unsere Wirtschaft ausbauen können. Das ist schwierig, weil Digitalisierung, und speziell Künstliche Intelligenz, abstrakt wirkt. Aber wir werden zum Beispiel Entbürokratisierung nur mithilfe der Digitalisierung schaffen.
Seit Februar 2025 leiten Sie die Denkfabrik „Vodafone Institute Europe“. Was ist Ihre Aufgabe?
Es ist offen gesagt wahnsinnig befreiend, einmal für ein Unternehmen tätig sein zu dürfen, das nicht in Österreich ist. Vodafone ist eines der größten Mobilfunkunternehmen der Welt und hat den Gruppensitz in London. Unser Institut sitzt in Berlin. Wir denken darüber nach, wie sich die gesamte Branche weiterentwickelt und wie Europa zwischen den USA und China eine technologische Spitzenrolle einnehmen kann.
Was würde passieren, wenn wir das als Europa nicht schaffen?
Wir haben eine hohe technische Abhängigkeit in Europa. Denken Sie allein an die meisten Services, auf die Sie in der Redaktion zurückgreifen. Natürlich ist das ein Extrembeispiel, das so fast nicht denkbar ist. Aber es zeigt, wie abhängig wir geworden sind, und auch, wie wenig europäische Konkurrenz hier leider aufgebaut wurde. Das mussten wir am Verteidigungssektor sehr hart lernen, aber auch beim Techniksektor ist es ähnlich.
Was sagen Sie als ehemaliger Staatssekretär im Finanzministerium über das große Budgetloch?
Ex-Staatssekretär Florian Tursky zu Gast im "Salon Salomon"
Wir haben extrem herausfordernde Jahre hinter uns. In diesen Krisen musste man Geld in die Hand nehmen, damit die Wirtschaft am Laufen bleibt. Sehr viele von denen, die jetzt besonders laut über das Budgetdefizit schreien, waren auch die, die damals besonders laut gerufen haben, dass man sehr viel investieren muss, weil sonst geht alles den Bach hinunter. Der ÖVP war immer klar, dass das Ganze auch wieder einmal zurückgezahlt werden muss. Die wirtschaftliche Lage ist aber noch viel schlimmer, als wir damals vermutet und es von den Wirtschaftsforschern prophezeit wurde.
Karl Nehammer ist politisch Geschichte. Ist es schade um ihn?
Ja natürlich. Christian Stocker macht einen fantastischen Job. Aber Karl Nehammer war in einer unglaublich schwierigen Zeit Kanzler und hat es wirklich gut, solide und mit Ruhe gemacht. Deshalb ist es absolut schade um ihn. Schade auch, dass er der Einzige ist, der eine politische Konsequenz aus den Verhandlungen ziehen musste. Viele andere in den anderen Parteien sind noch da.
Sie pendeln zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz, werden jetzt zum ersten Mal Vater. Wo ist Ihr Lebensmittelpunkt?
Derzeit aktuell am wenigsten in Österreich. Ich bin in die Schweiz gezogen, wir erwarten im Mai ein Kind, und von dort pendle ich nach Deutschland.
Zur Person Der Tiroler Florian Tursky leitet seit Februar dieses Jahres das Vodafone Institut Europa, eine Denkfabrik des internationalen Telekommunikationsunternehmens.
Politik-Karriere 2022 wurde Florian Tursky Staatssekretär für Digitalisierung im Finanzministerium der Regierung Nehammer. In dieser Zeit wurde die ID Austria eingerichtet, die Amtswege auf digitalem Wege ermöglicht. Das Regierungsamt legte er im März 2024 nieder, um Innsbrucker Bürgermeisterkandidat zu werden. Aufgrund rivalisierender ÖVP-Gruppen landete er nur auf Platz fünf und orientierte sich danach beruflich neu. Er gehörte dem Koalitionsverhandlungsteam der ÖVP an.
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