Johannes Ditz: "Neuwahlen würden ideologische Positionen verhärten"

"Zeit ist Geld" heißt es derzeit. Vor allem über das Budget werden die Parteien noch dringend reden müssen. Wo kann Geld eingespart werden, um den Schuldenberg abzubauen?
6,4 Milliarden Euro an Einsparungen wurden von ÖVP und FPÖ vor Platzen der Verhandlungen vereinbart und an Brüssel gemeldet, um ein sogenanntes EU-Defizitverfahren zu vermeiden; genau dieses Verfahren hatte zuvor ja auch die Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos nachhaltig beeinflusst - und wird die Parteien nun bei den weiteren Gesprächen beschäftigen.
In der ZIB2 am Freitag war dazu Johannes Ditz, früherer Wirtschaftsminister und Finanzstaatssekretär (ÖVP) zu Gast.
"Positives Bekenntnis zur EU"
"Die Parteien müssen nun zusammenfinden. Wir hatten rund sechs Monate innenpolitische Aufgeregtheit. Österreich braucht jetzt einen klaren wirtschaftspolitischen Kurs. Es ist nun notwendig, dass man ideologisch abrüstet und sachpolitisch aufrüstet," so Ditz, der seine eigenen Erfahrungen zum Vergleich nimmt: "Ich habe zwei Mal Budgets saniert, 1987 und 1996, das Defizit war damals wesentlich höher. Es sollte diesmal möglich sein, mit gutem Willen auf zwei Prozent zu kommen - damit wäre Stabilität gegeben."
Als "zweiten wichtigen Punkt" nennt der ÖVP-Politiker ein "sofortiges, positives Bekenntnis zu EU". "Die EU ist Teil unserer Wirtschaftskonzeption, es gibt einen globalen Wettbewerb. Es ist wichtig, dass das kleine Österreich nicht isoliert ist, sondern mitwirkt an einer offensiven EU-Strategie."
Sachkompetenz vs. "Wahlkampf-Modus"
Ob er, wie angesprochen, "weniger Ideologie, mehr Willen" derzeit bei ÖVP und SPÖ sehen würde, möchte Moderatorin Margit Laufer daraufhin von ihrem Gast wissen. "Man hat aus den bisherigen Verhandlungen hoffentlich gelernt", so Ditz. Sein Vorschlag: Dass an die Seite des jeweiligen Parteiobmannes ein politischer, "mit Sachkenntnis ausgerüsteter" Experte stehen sollte. Diese sollten sich dann gemeinsam mit dem Finanzministerium das Budget ansehen und Maßnahmen formulieren.
Er selbst und der damalige SPÖ-Finanzminister Ferdinand Lacina hätten Meinungsverschiedenheiten nicht so "auf offener Bühne" ausgetragen, vergleicht Ditz seine frühere Amtszeit mit den aktuellen Verhandlungsgesprächen. "Es gab kein Misstrauen, denn jeder verfügte über genug Sachkompetenz, um gemeinsam mit den Beamten kontrovers zu verhandeln, trotzdem aber am Ende zu einer Lösung zu kommen."
Bei den Parteien jetzt sehe er jedoch ein Verharren im "langen Wahlkampf-Modus", sodass es nicht möglich sei, in längerfristigen Lösungen zu denken. "Das muss man nun forcieren. Denn wenn man nochmals in Neuwahlen geht, verhärten sich die ideologischen Positionen nur noch mehr. Und dann wäre die Gefahr wirklich groß, dass Österreich instabil wird."
No-Go zur EU: "Problem mit der FPÖ"
Der Wirtschaftsflügel der ÖVP habe sehr auf Türkis-Schwarz gedrängt, erinnert Moderatorin Laufer und fragt: "Wer steht derzeit hinter der Wirtschaftspolitik der ÖVP?" Wer innerhalb der Partei auf die FPÖ gedrängt hat, wisse er nicht, so Ditz. "Zu meiner Zeit und ich glaube auch heute ist die Wirtschaftspolitik der Volkspartei aber das Modell der sozialen Marktwirtschaft." Es sei wichtig, dass die jeweiligen Wirtschaftssprecher und -Minister in der ersten Reihe die Verhandlungen führen, die Interessensvertreter hingegen in der zweiten Reihe, rät Ditz.
Genau das sei ihm in den vergangenen Wochen und Monaten abgegangen. "Wie der Prozess aufgesetzt wurde, dass 300 Experten zusammengerufen werden, die drei verschiedene Lösungen ausarbeiten und die Obergruppe soll das schlichten - das kann einfach nicht funktionieren," kritisiert der frühere ÖVP-Wirtschaftsminister den Modus Operandi zum Budgetfahrplan.
Auch das "No-Go zur EU" der Freiheitlichen sieht Ditz überaus kritisch, wie er nochmals betont. "So kann man wirtschaftspolitisch nicht reüssieren. Ich verstehe daher nicht, wie die Industriellenvereinigung dieses Problem mit der FPÖ nicht gesehen hat."
"Politik ist Handwerk"
Auch betont Ditz in Hinblick auf die weiteren Gespräche zwischen ÖVP, SPÖ, Grüne und Neos, dass es in Hinblick auf das Budgetdefizit Experten mit politischer Erfahrung bräuchte. Denn: "Ohne politische Erfahrung sind Experten nicht in der Lage, die Auswirkungen ihrer Maßnahmen richtig einzuschätzen. Politik ist ein Handwerk. Wir müssen jetzt von den Mundwerkern zu den Handwerkern übergehen."
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