Dass Gesetz steckte zwar längst im politischen Stellungskrieg in Brüssel fest - ohne Aussicht auf baldige Umsetzung – doch um politische Ziele ging es der Chefin der EU-Kommission dabei ohnehin nicht, sondern um Rückendeckung. Sie werde von nun an „zuhören und gemeinsame Lösungen suchen“.
Zuhören muss die 65-Jährige in diesen Tagen nicht nur den wütenden Bauern, sondern auch den immer lauter werdenden Rufern in ihrer eigenen Partei, der EVP.
Gefahr von Rechtsaußen
Dort hat man im Vorjahr eine Kurskorrektur eingeleitet. Angetrieben von Umfragen, die für die Europawahl im Juni einen Rechtsruck ankündigen. Große Gewinner könnten die Rechtspopulisten werden, also die FPÖ und ihre europäischen Gesinnungsgenossen. Wichtigste Wahlkampf-Waffe: Das Feindbild vom Superstaat EU mit der übermächtigen Ursula von der Leyen an der Spitze, die Bürgern grüne Bürokratie aufbürdet.
Die EVP will trotzdem auf sie setzen. Heute, Montag, hat sie in der CDU-Parteizentrale in Berlin ihre Kandidatur offiziell gemacht. Und in der eigenen Partei stellt sich ihr niemand im Weg. Die Richtung für die zweite Amtszeit aber, die führt klar anderswo hin.
Es geht um Wirtschaft
Angesichts von teurer Energie, Inflation und trüben wirtschaftlichen Aussichten soll sich die EU weniger um den Klimawandel kümmern als um die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit. Angesichts eines Chinas, das den Weltmarkt für Zukunftstechnologie wie Solarstrom dominiert, und den USA, die mit astronomisch hohen Subventionen neue Industrie hochzüchten, brauche Europa nicht nur mehr Geld, sondern auch eine wirtschaftsfreundlichere Gesetzgebung.
Auch wichtige Mitstreiter Von der Leyens wie EU-Budgetkommissar Johannes Hahn sprechen diese Themen offen an: Es gehe, so Hahn zum KURIER, um die „globale Wettbewerbsfähigkeit der EU“, die sei neben „einer eigenständigen, gemeinsamen EU Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ die „größte Herausforderung für die zweite Amtszeit.
Die Landwirtschaft wiederum – traditionell eine starke Stimme in der Europäischen Volkspartei – rebelliert gegen angeblich überbordende grüne Regularien. So könne man den Kontinent nicht mehr ernähren, lautet der Protestruf, und sei dann auf Importe aus Ländern angewiesen, die sich schon gar nicht um Natur- und Klimaschutz kümmerten.
„Den Bauern zuhören“
Stärkste Stimme der verärgerten Bauern ist der Vorsitzende der EVP, Manfred Weber. „Man solle endlich „den Bauern zuhören“, anstatt sie ständig zu belehren. Weber richtet seine Kritik zwar vorrangig an die Grünen, doch im EU-Parlament hat er sich zum Wortführer des Widerstands gegen große Teile des „Green Deal“ gemacht – und der ist mit dem Namen Ursula von der Leyen untrennbar verbunden.
Trotzdem stellt sich Weber demonstrativ hinter die Kommissionspräsidentin und ihre Kandidatur. Auf Fragen, ob er nicht selbst erneut als Spitzenkandidat in die Wahl gehen wolle, winkt er ab. 2019 war er als dieser Spitzenkandidat ins Rennen gegangen – und gewann. Dass heute nicht Weber sondern Von der Leyen der Kommission vorsteht, war ein Akt politischer Willkür. Frankreich lehnte den Bayern schlicht ab, Wahlsieg hin oder her. Die weltgewandte Merkel-Ministerin dagegen wurde von Paris aus dem Hut gezaubert. Eine Niederlage, an der Weber lange zu kauen hatte.
Deutlich weiter rechts
Jetzt soll Von der Leyen von Anfang an an der Spitze stehen, die politische Linie der EVP aber, die gibt Weber vor – und die verläuft deutlich weiter rechts als jene der Kommissionschefin. „Sie hat in zwei globalen Krisen Leadership bewiesen“, macht sich Johannes Hahn für seine Kollegin stark, „kann mit einer positiven Bilanz für eine zweite Amtszeit werben.“ Doch auf dem Weg dorthin wird die krisengeprüfte Machtpolitikerin ihren Kurs für die eigene Partei zurechtbiegen, sich so den Weg an die Spitze ebnen. Dass sich das ausgeht, damit rechnet man in Brüssel, wie viel es Von der Leyen politisch kostet, wird nach der Wahl entschieden.
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