Ebenfalls vom Tisch geräumt hat Trump den zukünftigen NATO-Beitritt der Ukraine. Der ist zwar für Moskau ein rotes Tuch, aber eigentlich von der NATO offiziell beschlossen worden - und zwar mit der gewichtigen Stimme Washingtons.
Links liegen gelassen
Doch solche Beschlüsse kümmern den US-Präsidenten bekanntermaßen wenig, genauso wenig wie ihn die Meinung der Europäer zu Friedensplänen für die Ukraine kümmert. Und das bekommen die Europäer unter die Nase gerieben. Etwa zu Wochenbeginn, als US-Außenminister Marco Rubio das Treffen mit den europäischen Verbündeten und der Ukraine in London schwänzte, während Trumps Russland-Verhandler Steve Witkoff brav nach Moskau reiste, um weiter über die Ukraine zu beraten - ohne die Ukraine und ohne Europa.
In Brüssel, wo man die Missachtung durch die Amerikaner lange nicht wirklich wahrhaben wollte, wächst jetzt endgültig die Nervosität. Lange hatte man ja geglaubt, man müsse sich nur laut genug an den Verhandlungstisch reklamieren, dann werde Trump dort schon Platz machen. Jetzt, nach den jüngsten diplomatischen Grobheiten, weiß man, dass man mit der üblichen Beschwörungsformel, „Europa steht geschlossen hinter der Ukraine“ weder in Washington, noch in Moskau noch Eindruck macht.
Hektische Vermittlungen
Da Trump EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen grundsätzlich mit Missachtung straft, hat sich jetzt NATO-Chef Mark Rutte in aller Eile nach Washington aufgemacht, um dort die Notbremse zu ziehen. Denn wenn Washington jetzt im Alleingang in Richtung eines Friedensabkommens mit Moskau steuert, hat Europa nicht nur den Ärger, einfach übergangen worden zu sein, sondern ein viel grundsätzlicheres Problem: Die Einigkeit, mit der EU, aber auch NATO bisher hinter Ukraine standen – vom ewigen Quertreiber in Budapest einmal abgesehen – droht zu zerbröseln. Denn während EU-Außenministerin Kaja Kallas offiziell noch beschwört, dass eine ukrainische Krim und der NATO-Beitritt des Land quasi in Stein gemeißelt seien, wird vielen klar, dass man sich nicht so einfach gegen Washington stellen kann. Sich zwischen Kiew und Washington entscheiden zu müssen, das sei wohl die schlimmste Zwickmühle für Europa, meint ein hochrangiger EU-Diplomat im Vertrauen gegenüber der britischen Financial Times. Beim renommierten Brüsseler Think Tank ECFR analysiert man das Dilemma mit ernüchternder Deutlichkeit: Europa sei schon immer in einer schwachen Position gewesen, um sich gegen die USA zu stellen. Genau darum versuche man genau das auch jetzt zu vermeiden.
Doch unter Druck driften die Interessen der EU-Staaten sehr rasch auseinander, was die Ukraine und auch, was die eigene Aufrüstung und Verteidigungsfähigkeit betrifft. Da gibt es jene Länder wie Polen, die die Beziehungen zu den USA über alles stellen. So drängt man etwa darauf, für die Aufrüstung Europas großzügig Waffen in den USA zu kaufen. Frankreich dagegen will diese Waffen ausschließlich in Europa produzieren.
Dass das mit dem Waffen schmieden in Europa nicht so schnell geht, bekommen auch die Ukrainer zu spüren. Die Europäer liegen mit ihrer militärischen Unterstützung chronisch im Rückstand. Das liegt meistens schlicht daran, dass das Geld dafür auf EU-Gipfel zwar schnell versprochen ist, aber in den überall klammen Staatskassen dann doch schwer aufzutreiben. Gegenseitige Vorwürfe werden laut. Je weiter die USA von Europa abrücken, desto weiter rückt man auch in Brüssel auseinander.
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