Modi und Trump sind gute Freunde. Indem der indische Premier nun die Zölle gegenüber den USA senkt und den Handel mit Washington ausbaut, führt er seine altbekannte Schmeichel-Strategie fort.
Schon beim letzten Mal verstanden sie sich blendend. Als der indische Premier Narendra Modi Donald Trump während dessen erster Amtszeit besuchte, schmiss der US-Präsident ihm ein Riesenfest. Unter dem Motto „Howdy, Modi!“ fand 2019 in Houston, Texas, einer der größten Empfänge eines ausländischen Gastes in den USA jemals statt. 50.000 Anhänger sollen damals im NRG-Footballstadion zugesehen haben, 400 Performer waren Teil einer 90-Minuten-Show.
Die beiden Politiker sparten auch nicht mit dem Honig, den sie einander ums Maul schmierten. Trump sei „warm, freundlich, zugänglich, energetisch und voller Witz“, schwärmte Modi damals. Der Republikaner, der bei der damals anstehenden Wahl 2020 auf Stimmen aus der großen indischen Community im Bundesstaat hoffte, lobte den Hindunationalisten umgekehrt dafür, „wahrlich außergewöhnlich gute Arbeit für Indien“ zu leisten.
Ein Jahr später ehrte Modi seinen amerikanischen Freund dann mit einer „Namaste Trump“-Veranstaltung in der Millionenstadt Ahmedabad im Westen des Landes, das er seit mehr als einem Jahrzehnt regiert.
Nicht nur Trump umgarnte Modi. Für den gesamten Westen ist das wirtschaftlich aufstrebende und bevölkerungsreiche Indien in den vergangenen Jahren als Partner immer wichtiger geworden.
Auch Nachfolger und nun auch Vorgänger Joe Biden ließ sich nicht lumpen, als Modi 2023 zu ihm flog. Er richtete seinem Gast ein prunkvolles Staatsbankett aus und ließ ihn eine riesige Yoga-Einheit vor dem UN-Hauptquartier in New York leiten.
Dabei ist Modi bekannt dafür, keine Wertepartnerschaften und klassischen Bündnisse mit anderen globalen Playern einzugehen. Vielmehr will Indien unter ihm in einer zunehmend multipolaren Weltordnung eine gewichtige Rolle spielen, ernstgenommen werden, von möglichst vielen Seiten profitieren, und – angesichts seiner Grenzkonflikte mit China und Pakistan– sicher sein.
Wiedersehen im Oval Office
Nicht alle finden das gut. In dieser Hinsicht dürfte Modi sich durchaus gefreut haben, den alten Bekannten Trump wieder im Oval Office zu sehen. Der Geschäftsmann wirft ihm seine immer autokratischer werdende Politik genauso wenig vor wie die Tatsache, dass er den Kreml nach Kriegsbeginn in der Ukraine nicht sanktionierte, sondern die russischen Waffen- und Ölimporte nach Indien sogar anstiegen.
Die beiden Nationalisten sind sich in gewissen Aspekten ähnlich, verstehen einander nach wie vor gut. Das hat nicht nur ideologische Gründe, sondern liegt auch am gemeinsamen Rivalen China. Eine innige Umarmung anlässlich ihres Wiedersehens vor ein paar Wochen ließen sie sich nicht nehmen. Und dennoch war der erste Besuch Modis bei Trump weniger euphorisch als etwa jener in Texas damals. Gesitteter, diplomatischer, heikler.
Freunde, aber...
Denn es gab ein bedeutendes Aber: Trotz aller Freundschaft macht Trumps Zollkeule auch vor Modi nicht halt. Der US-Präsident bezeichnete das bestehende Handelsdefizit zugunsten Indiens als "sehr unfair", ungefähr 46 Milliarden Dollar soll es zuletzt betragen haben.
Schon während Trumps erster Amtszeit gab es hier Streitereien, etwa wegen der hohen indischen Einfuhrzölle auf Harley-Davidson-Motorräder. Indien senkte sie, aber für Trump nicht stark genug. Es kam zu höheren US-Zöllen auf Stahl und Aluminium, andere Vergünstigungen für Neu-Delhi wurden gestrichen. Modi reagierte wiederum mit Zöllen auf US-Landwirtschaftsprodukte. Der Versuch eines Freihandelsabkommens scheiterte.
Vor diesem Hintergrund und der Ankündigung Trumps reziproker Zölle ("Was immer sie uns verrechnen, werden wir ihnen verrechnen"), die am Mittwochabend verkündet werden sollen, bot Indien dem bedeutenden Handelspartner starke Zollsenkungen; außerdem wird es mehr Öl, Gas und Waffen aus den USA importieren. Bis 2030 peilen die beiden Länder an, den bilateralen Handel auf 500 Milliarden Dollar zu verdoppeln.
Während andere Partner, auch die EU, also auf Trumps wirtschaftliche Attacken mit Gegenangriffen reagieren wollen, wählt Indien den Weg der Zugeständnisse – und des Einschmeichelns. Dazu passt etwa, dass Modi jüngst Trumps bekannten MAGA-Slogan in "Make India Great Again" abgewandelt hat und kürzlich als erster bedeutender Staatsführer Trumps umstrittenem sozialen Netzwerk "Truth Social" beigetreten ist.
Dass Modi sich für diesen Weg entscheidet, überrascht nicht. Er ist in den den vergangenen Jahren gut damit gefahren, von anderer Mächte Konflikte zu profitieren. Indien gewinnt auch deshalb so an Bedeutung, weil einige Staaten es als einen alternativen Produktionsstandort zu China, von dem sie sich lösen wollen, begreifen.
Angesichts Modis Ausgleichsstrategie soll es ihn Beobachtern zufolge daher äußerst nervös machen, dass Trumps Rhetorik gegenüber Peking, wie auch gegenüber Moskau, zwischen gewohnt feindselig und himmelhoch lobend schwankt.
Damit er ihn weiterhin klar zu seinen Freunden zählen kann, verzichtete Modi beispielswiese auch darauf, Trump für die schlechte Behandlung abgeschobener indischer Bürger zu kritisieren, die während ihres 40-stündigen Abschiebeflugs Fesseln tragen mussten. In Kolumbien führte ein ähnlicher Vorfall zu einem lauten Streit mit den USA.
Zumindest in Bezug auf China muss Modi sich aber eher nicht fürchten, wie es scheint. Denn Peking geht vor Trump nicht in die Knie, im Gegenteil, es droht ein heftiger Handelskrieg.
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