Seither amüsieren die mit Memes und schrägen Kommentaren versehenen, kreativ umgemodelten Video die jungen Indonesier. Und seither ist es auch völlig bedeutungslos, dass Subianto einst als Kommandant von militärischen Spezialeinheiten auf Osttimor Befehle für ein grausames Vorgehen gegeben und in den späten 1990er-Jahren die Entführung von 20 Demokratie-Aktivisten zu verantworten hat.
Stattdessen pflegt der Ex-General nun unter den jungen Indonesiern das Image eines „knuddeligen Teddybärs“. Eines etwas steifen, aber liebenswerten Opas, dem man gerne die Führung des Landes anvertraut. Und die jungen Wähler sind es, die im bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Welt (274 Millionen Einwohner) den Ausgang des Urnengangs am 14. Februar entscheiden werden.
Und es ist ebenso ein gigantischer Markt für Tiktok: An die 125 Millionen User nutzen die Spaß-Plattform. Kurz, knackig, lustig und weitgehend politikfrei.
So ließ sich das Bild des bisher ungeliebten Politikers Subianto dank der Tiktok-User positiv verändern, ohne dass er selbst Millionen Dollar für eine Imagekampagne in die Hand nehmen musste.
Geht das auch in Europa?
Wird das Beispiel Indonesiens, wo Tiktok geradezu die Rolle eines Königsmachers einnimmt, auch in Europa Schule machen? Wird der Tiktok-Algorithmus künftig indirekt unsere Regierungschefs bestimmen?
Bezahlte Werbeposts politischer Parteien sind auf Tiktok verboten. Eine politische Plattform sei Tiktok dennoch, meint Martin Fuchs. Der Hamburger Politikberater mit Schwerpunkt Social-Media-Expertise verweist darauf, dass viele gesellschaftliche Bewegungen – vom Klimaschutz bis zum Feminismus – breit auf Tiktok stattfinden.
„Aber auch wenn Tiktok schon in den vergangenen zwei Jahren bei Wahlkämpfen etwa in Deutschland eine viel größere Rolle gespielt hat, ist seine Wirkmächtigkeit in Europa eine ganz andere als in Asien oder in den USA“, sagt Fuchs zum KURIER. In Europa gebe es viel mehr Informationsquellen, „da ist Tiktok nur eine Quelle von vielen.“
Und nicht zuletzt ist die Zahl der älteren Wähler, die in Europa an die Urnen gehen und von Tiktok keinen Schimmer haben, im Schnitt erheblich älter als in Asien.
Dazu kommt: Parteiprogramme, Parteipräsentationen, komplizierte politische Inhalte - das funktioniert auf den schnellen Kurzvideos gar nicht. „Man geht auf Tiktok, um sich zu amüsieren, nicht um sich politisch zu informieren“, sagt Fuchs. Weshalb, so der Experte weiter, auch Parteiaccounts viel schlechter ankommen würden als Personen: Der wackelig tanzende indonesische Wahlfavorit „zieht“ unendlich viel bessere als dessen Wahlprogramm.
Natürlich stürzten sich nicht nur Parwobos Wahlkampfteam mit aller Kraft in eine Social-Media-Kampagne, sondern auch seine Kontrahenten. Und selbst Donald Trump, bis vor einigen Jahren noch ausgewiesener Tiktok-Hasser, wird kaum umhin kommen, auf die gewaltige Breitenwirkung der jungen Plattform verzichten zu können.
„Dabei muss er es selber gar nicht nutzen“, gibt Politikberater Martin Fuchs zu bedenken. „Seine viele jungen Unterstützergruppen sind alle auf Tikkok. Und sie werden sein Narrativ verbreiten.“
Verboten und wieder erlaubt
Dabei hatte der Ex-Präsident noch 2020 versucht, die Plattform in den USA zu verbieten. Der Vorwurf: Die Trump-Regierung hatte die von chinesischen Besitzern kontrollierten Apps Tiktok und WeChat als Gefahr für Daten von Amerikanern und die nationale Sicherheit eingestuft. Sein Nachfolger Joe Biden hob das Verbot allerdings wieder auf.
Im US-Kongress und im Weißen Haus ist die Video-App auf Diensthandys aber längst strikt tabu. Auch auf den Smartphones der EU-Kommission darf die App seit dem Vorjahr nicht mehr benutzt werden. Für österreichische Staatsbedienstete ist Tiktok auf Diensthandys ebenfalls verboten.
Für Trump, der seine große Wut gegen China richtet, könnte sich nach einem möglichen Wahlsieg wieder die Frage stellen: Tiktok, das er der quasi der Spionage verdächtigt, wieder verbieten?
An die 100 Millionen Amerikaner benutzen die Plattform. Ein unverzichtbares Publikum. „Ich glaube nicht“, sagt Martin Fuchs, „dass er es sich erlauben kann, es zu tun.“
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