Was die Auflösung der PKK für den Kurdenkonflikt in der Türkei bedeutet

Die PKK sprach von einer „historischen Entscheidung“, die AKP des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan von einem „Wendepunkt“: Am Montag gab die verbotene kurdische Arbeiterpartei die Auflösung und die Beendigung des bewaffneten Kampfes gegen den türkischen Staat bekannt.
Bereits im Februar hatte der seit 1999 inhaftierte PKK-Gründer Abdullah Öcalan aufgerufen, die Waffen niederzulegen. Zuvor hatte der Parteichef des ultranationalistischen Regierungspartner Erdoğans, der MHP, in einer überraschenden Wendung eine Freilassung Öcalans ins Spiel gebracht, wenn sich die Partei auflösen sollte.
Die Ankündigung der in der Türkei, EU und USA als Terrororganisation eingestuften PKK weckt nun Hoffnung auf ein Ende des seit Jahrzehnten andauernden blutigen Kurdenkonflikts.
Koordination unklar
Cengiz Günay, Direktor des Instituts für internationale Politik (oiip), sieht das skeptisch. „Es klingt zwar erstmal nach einer großen Veränderung“, sagt er zum KURIER. „Die Frage ist aber, inwieweit der Friedensprozess tatsächlich umgesetzt werden kann und wie glaubwürdig er mittel- bis langfristig ist.“
Denn: Wer neben Öcalan, der als Koordinator fungieren soll, am Friedensprozess beteiligt sein soll und ob alle PKK-Kämpfer und Machtzentren dabei mitspielen, sei unklar. Die in der Türkei, EU und USA als Terrororganisation eingestufte PKK ist unter anderem auch in Syrien, im Iran und Irak präsent.
PKK ist die Abkürzung für die 1978 gegründete Arbeiterpartei Kurdistans. Zu Beginn war sie eine politische Organisation, die Kurden zum Widerstand gegen die türkische Regierung aufrief. Später wurde sie eine militante Bewegung, die zunehmend gewaltsame Mittel einsetzte, um ihre Ziele zu erreichen - inklusive Terroranschläge auf Zivilisten.
Das türkische Militär ging in der Vergangenheit regelmäßig militärisch gegen die PKK vor. Laut der Denkfabrik International Crisis Group sind im Kontext des Konflikts bisher etwa 40.000 Menschen getötet worden.
Zudem gehe es den Akteuren vorwiegend um das eigene politische Überleben, so Günay. „Öcalan möchte nach mehr als 30 Jahren natürlich aus dem Gefängnis freikommen – und seine Zukunft liegt in den Händen des türkischen Präsidenten.“
Für Erdoğan und seinen ultranationalistischen Koalitionspartner sei die Auflösung wiederum eine Möglichkeit, „die Regierungsallianz zu erweitern.“ So werden seit einiger Zeit Gespräche zwischen der PKK und der türkischen Regierung geführt. „Nicht nur über einen Waffenstillstand, sondern über eine neue türkische Verfassung und die Frage, wie die kurdische Bewegung und die PKK und Öcalan eine Rolle spielen könnten“, so Günay.
Hintergrund: Für die von Erdoğan angestrebte Verfassungsänderung, die ihm eine dritte Amtszeit ermöglichen würde, ist er auch auf die Stimmen der prokurdischen DEM-Partei angewiesen. Diese fungiert als Vermittlerin zwischen Regierung und PKK-Gründer Öcalan.
Künftige Partner?
„Früher war die kurdische Bewegung der Paria in der politischen Landschaft. Jetzt versuchen Regierungspartei und Ultranationalisten, sie als künftige Partner zu umwerben – und die größte Oppositionspartei CHP zu isolieren“, resümiert Günay.
Er erinnert daran, dass bereits 2015 ein Friedensprozess zwischen Türkei und PKK scheiterte. Auch dieser habe von Anfang an einem anderen politischen Zweck gedient: „Erdoğan und seine Regierung hofften, durch die Unterstützung der Kurden das Präsidialsystem durchpressen zu können. Die kurdische Bewegung hat aber dagegen protestiert.“
Die angekündigte PKK-Auflösung dürfe man „nicht mit einer Demokratisierung in der Türkei verwechseln“, so der Politologe. „Wobei es in der Türkei schon einige Beobachter gibt, die meinen, dass bereits eine Beendigung des bewaffneten Konflikts und eine Diskussion darüber, welche Rolle die Kurden künftig in der Türkei spielen sollen, durchaus indirekt zu einer Redemokratisierung führen können. Und das wäre natürlich eine Hoffnung.“
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