Der Paralympics-Teilnehmer und Botschafter des „Wing for Life“-Runs, über das Leben mit Behinderung, das Mitleid, das man nicht braucht und was für echte Inklusion noch zu tun ist.
Der 28-jährige Langmann war bereits Nummer 15 der Rollstuhltennis-Weltrangliste und ist fröhliches Role Model für den Behindertensport.
KURIER: Sie sind Weltklasse-Tennisspieler im Rollstuhl, hatten aber im vergangenen Herbst eine Ellbogen-OP. Wie geht es Ihnen?
Nico Langmann: Für jemanden, der im Rollstuhl lebt, ist so eine Operation eine große Entscheidung, die mit viel Angst verbunden war. Allein, um in der Früh aus dem Bett zu kommen, brauche ich ja beide Arme. Aber – ich klopfe auf Holz: alles gut gegangen. Nun bin ich am Weg zurück – zurück zur Leidenschaft im Tennisspiel.
Sie sind Botschafter des Wings for Live-World-Run, der am 4. Mai auch in Wien stattfindet. Werden Sie wieder teilnehmen?
Ich plane meine Turnier-Saison immer so, dass ich mit den 10.000 Läufern dabei sein kann.
Müssen Sie da nicht auf Ihren Ellbogen aufpassen?
Man muss auch auf die Hände aufpassen, damit man keine Blasen kriegt. Mein Trainer mahnt mich jedes Mal, es langsam anzugehen. Aber jedes Mal aufs Neue kommt der Ehrgeiz durch.
Warum ist der Wohltätigkeitslauf, der in 33 Ländern gleichzeitig stattfindet, so wichtig?
Wings for Live wurde gegründet, um Heilung für Rückenmarksverletzte zu finden. Mit dem Lauf werden Fördergelder gesammelt, das unterstütze ich mit Herzblut.
Auch Sie persönlich haben die Hoffnung nicht aufgegeben, eines Tages gehen zu können?
Ich persönlich mache mein Lebensglück nicht davon abhängig, ob ich meine Beine verwenden kann. Ich kenne mich nicht anders und habe mein Leben auf Rollen gelernt.
Sie hadern also nicht mit Ihrem Schicksal?
Überhaupt nicht, weil ich mein Glück so gefunden habe, wie ich bin. Ich will damit anderen Menschen aber gar nicht sagen: Hey, nur weil es mir gut geht, muss jeder andere mit Querschnittslähmung auch happy sein. Es gibt ganz viele verschiedene Schicksale und viele betroffene Familien. Für meine Eltern war es ein Riesenschock und eine Hiobsbotschaft: Euer Sohn, der kleine Nico, das süße, nicht einmal zweijährige Baby, wird nie mehr gehen können. Ich möchte den Familien künftig diese Hoffnungslosigkeit ersparen. Deswegen kämpfe ich mit Leidenschaft für die Heilung der Querschnittslähmung.
Profi-Tennisspieler Nico Langmann zu Gast im "Salon Salomon"
Sie sind ein stets gut gelaunter Botschafter für Inklusion und Barrierefreiheit und haben auf Instagram zum Beispiel ein Video geteilt, in dem man Sie scheitern sieht, coole Vintage-Kleidung zu kaufen. Unglaublich, wie viele Geschäfte Stufen hatten! Was ist da noch alles zu tun?
Die Welt steht natürlich auch noch, wenn ich mir keine Vintage-Kleidung in Wien-Neubau kaufen kann. Aber es ist ein Beispiel dafür, dass einiges viel schwieriger zu bewältigen ist. Wobei ich großartig finde, was Wien schon geschafft hat, zum Beispiel ist das U-Bahn-Netz barrierefrei. Wenn man aber zum Beispiel bei der Wohnungssuche den Filter „barrierefrei“ eingibt, fallen 90 Prozent der Wohnungen weg. Ich kann daher auch viele Freundinnen und Freunde nicht selbstständig besuchen. Wenn die im 3. Stock Altbau wohnen, überlegen sie sich zweimal, ob sie mich einladen, weil sie mich rauftragen müssen. Wir könnten stundenlang über Bauordnungen reden, aber damit holt man die Leute sozusagen nicht ab. Es geht um Barrieren in den Köpfen, um Stigmata, Stereotype, die abgebaut werden müssen.
Das Schlimmste für Sie ist Mitleid, sagten Sie einmal in einem Interview. Müssen Sie immer wieder darauf hinweisen, dass die Behinderung nicht Ihr Leben dominiert?
Vielleicht war das sehr hart formuliert, weil es eine schöne Eigenschaft ist, mit einer Person mitfühlen zu können. Mich stört aber, wenn ich von jemanden, den ich neu kennenlerne, in die Schublade gesteckt werde: „Weil du im Rollstuhl sitzt, bist du arm.“ Das stimmt einfach nicht.
Ich bin manches einfach schon gewohnt, aber meine Freundin – mit der ich seit vier Jahren eine Beziehung habe – musste sich erst daran gewöhnen, dass wir auf der Straße viel mehr Blicke ernten – auch mitleidige. Ich habe ihr dann eingeredet, dass nur deswegen alle schauen, weil ich so berühmt bin (lacht). Aber es hat sich so vieles zum Besseren entwickelt, und ich versuche auch selbst Teil dieser Entwicklung zu sein. Wir werden noch viel mehr erreichen.
Sie haben auch eine Foundation für Kinder gegründet. Was wollen Sie damit erreichen?
Das ist die Nico Langmann-Foundation, die Sport-Rollstühle kauft für Kinder und Jugendliche, die sich das nicht leisten können.
Was erleben Sie da?
Die Kinder sind begeistert, wenn ich dann komme und mit ihnen spiele. Da habe ich wirklich Vorbildwirkung. Anfang der 2000er-Jahre gab es ja so gut wie keinen Behindertensport. Dass man davon auch professionell leben und die Miete bezahlen kann, ist ein neues Phänomen.
Kann man wirklich vom Behindertensport leben?
Ja. Ich bin als Heeressportler angestellt und darf mit weiteren Partnern meine Karriere bestreiten. Diese Unternehmen wollen Teil der Reise sein und sehen meine Botschaften als gemeinsames Projekt. Also wieder kein Mitleid, sondern ein gemeinsamer Weg.
Zu Ihrem Bruder haben Sie eine enge Beziehung – was war so wichtig daran?
Meine Eltern versuchten alles, damit der Nico doch das Wunder schafft und irgendwann gehen kann – mein Leben im Takt der Therapien. Durch meinen älteren Bruder habe ich trotzdem eine superfröhliche, normale Kindheit gehabt. Wenn die ganzen Therapien vorbei waren, haben wir Lego gespielt oder waren gemeinsam am Fußballplatz. Klingt deppert, aber ich war halt der Verteidiger, der sich dem Stürmer in den Weg gestellt oder ihn niedergefahren hat (lacht).
Wie wichtig waren Dominic Thiem und sein Vater, der auch Ihr Trainer war, für Sie?
Dominic Thiem hat einen Tennisboom in Österreich ausgelöst. Auf dieser Welle konnte auch ich mitschwimmen. Und die Akademie von Wolfgang Thiem war großartig inklusiv. Ich war der einzige Rollstuhlfahrer, aber mit den gleichen Träumen und dem gleichen Training wie die anderen. Es war egal, ob man sitzt oder steht, und das fand ich sehr cool.
Was kommt nach Ihrer Profikarriere?
Ich hoffe, dass ich mich auch nach meiner Karriere für Gleichberechtigung einsetzen kann. Das ist ein bisschen die Berufung, die ich mir ausgesucht habe.
Haben Ihre Eltern auch Frieden mit Ihrem Rollstuhl geschlossen?
Ja, weil sie jeden Tag sehen, wie glücklich ihr 28-jähriger Sohn ist, der keine Hilfe braucht und sich verwirklicht. Das können wir sogar gemeinsam zelebrieren. Letzten Sommer bei den Paralympischen Spielen in Paris haben meine Eltern im Publikum mit dem selbst gedruckten „Team Nico“-T-Shirt mitgejubelt. Das treibt mir die Tränen in die Augen und ist schon sehr schön.
Ihr Wunsch an die Politik?
Dass der politische Wille da ist, wirklich Barrieren abzubauen.
Und welchen Rat geben Sie jungen Rollstuhlfahrern?
Man ist, egal in welcher Kondition, einfach ein Mensch, und damit genau gleich viel wert, wie jeder andere Mensch auch.
Zur Person: Wegen eines Autounfalls ist Nico Langmann seit dem Babyalter querschnittsgelähmt. Er wurde Tennisprofi im Rollstuhl, gewann 35 Turniere und kämpft sich nach einer Ellbogen-OP auf der Weltrangliste wieder nach oben
Sozial engagiert Langmann unterstützt Kinder im Rollstuhl, damit sie Sport betreiben können, und sammelt dafür Spenden: Nico Langmann Foundation, AT36 2011 1846 1823 7800 GIBAATWWXXX
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