Jung und kriminell: Haftstrafen für jugendliche "Systemsprenger"

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Sie brachen ein, stahlen Autos, empfanden kein Unrechtsgefühl: Junge Intensivtäter mussten in Wien vor Gericht. Urteile nicht rechtskräftig.

Die beiden Buben, die am Dienstag von Justizwachebeamten in den Verhandlungssaal in Wien gebracht werden, wirken zart und kindlich. Dass sie von einer Horde Journalisten erwartet werden, nehmen sie mit einem Lächeln zur Kenntnis. Im Saal selbst ist kaum genug Platz für die anwesenden Betreuer, Polizisten und Medienvertreter, die diesen Prozess verfolgen wollen.

Grund ist vor allem der Jüngere der beiden Angeklagten: Der 14-jährige L. Man kann ihn getrost einen jugendlichen Intensivtäter nennen. Er und sein etwas älterer Bruder waren in den vergangenen Monaten laufend in den Schlagzeilen. Der Ältere wurde im vergangenen November wegen Serieneinbrüchen in Autos verurteilt. Betreuungseinrichtungen werden den Burschen nicht Herr. Von der Schule halten sie wenig. Wenn sie nachts ihre Runden drehen, brechen sie ein. Egal wo. Egal was. Stehlen Autos. Liefern sich Verfolgungsjagden. Bauen Unfälle.

L. ist erst im vergangenen März 14 Jahre alt geworden. Schon wenig später holte ihn die Polizei ab. "Heute ist der Tag gekommen", habe ein Polizist gesagt, als er das Krisenzentrum betreten hat, schildert L. Auffällig war er schon länger - aber eben nicht strafmündig. Wie viele Einbrüche er begangen hat, weiß er nicht. Auch, wie oft er bei der Polizei zu Vernehmungen geladen war, kann er nicht sagen. "Öfters, aber ich zähle das ja nicht mit", erklärt er. 

Auf Polizisten zugerast

Es sind auch diesmal unzählige Vorwürfe, die ihm - gemeinsam mit einem 16-Jährigen - vorgeworfen werden. Der traurige Höhepunkt: Am 28. März brachen sie in Wien-Liesing mit Freunden in eine Kfz-Werkstatt ein, sammelten Geld und Autoschlüssel ein und machten mit einem der Autos eine Spritztour. Doch ihr Fahrstil fiel auf, Polizisten wurden alarmiert. Da drückte der Fahrer auf das Gaspedal, raste durch die Stadt, ignorierte rote Ampeln und fuhr schließlich direkt ungebremst auf ein entgegenkommendes Polizeiauto zu. Nur, weil die Beamten auswichen, konnte ein schwerer Unfall verhindert werden. 

In der Leopoldstadt bauten die Jugendlichen schließlich einen Unfall. Das Auto überschlug sich, zwei der Insassen erlitten Armbrüche.

"Eigentlich ist er ein armer Teufel", sagt Anwalt Wolfgang Ebner, der den 14-Jährigen vertritt. "Die Eltern hatten kein Interesse an ihm, seit jungen Jahren ist er fremd untergebracht - wie seine Geschwister." Der 14-Jährige habe den Kick gesucht, versucht er zu erklären. "Ich habe viel Adrenalin gespürt. Ich dachte, ich bin cool", erklärt L. und schildert sein schwieriges Verhältnis zu den Betreuern des Krisenzentrums. "Deshalb war ich nachts oft draußen. Und auch, weil mir langweilig war."

Dutzende Geschäfte betroffen

Sein 16-jähriger mitangeklagter Freund, schildert freimütig die unzähligen Einbrüche: "Wenn es Geld gab, haben wir es genommen. Wenn nicht, waren wir auch nicht böse. Ich habe das Geld nicht gebraucht." 20 bis 30 Geschäfte habe er "gemacht". "Es können auch 40 sein."

Am Wiener Straflandesgericht sind zwei jugendliche Intensivtäter zu Haftstrafen verurteilt worden. Einer davon ist jener 14-Jährige, der in der jüngsten Kriminalstatistik als „Systemsprenger“ bezeichnet wurde. Der Bursche hatte bereits vor seiner Strafmündigkeit weit über 100 staatsanwaltschaftliche Vormerkungen. Er und sein Komplize müssen etliche Monate in Haft. 

Urteile: Der 14-Jährige, der bereits eine zehnwöchige Haftstrafe absitzt, erhält eine Zusatzstrafe von neun Monaten und zwei Wochen. Sechs Monate und zwei Wochen werden ihm bedingt nachgesehen. Er muss sich einer Psychotherapie unterziehen und erhält für die Zeit nach seiner Entlassung Bewährungshilfe, eine Ausbildungs- und Wohnweisung. 

Sein 16-jähriger Komplize, der bisher unbescholten war, erhält 15 Monate, davon zehn Monate bedingt. Er muss aufgrund seines aggressiven Verhaltens ein Anti-Gewalt-Training absolvieren und nach der Haft wird ihm Bewährungshilfe zur Seite gestellt. Auch ihm wird eine Ausbildungsweisung erteilt. Er wohnt noch bei seinen Eltern. Beide Urteile sind nicht rechtskräftig. 

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