Das Verhältnis zwischen blauem Landeshauptmann und schwarzer Stellvertreterin scheint herzlich, Mario Kunasek begrüßt Manuela Khom mit Küsschen auf die Wange, man scherzt miteinander.
Seit 18. Dezember 2024 ist die erste FPÖ-ÖVP-Koalition in der Steiermark im Amt; die Verhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP nach den Landtagswahlen Ende November gingen flott und ohne Verzögerungen über die Bühne, wenn auch am Ende mit Überraschungen: Am 16. Dezember trat Christopher Drexler als Landesparteiobmann der ÖVP zurück, Manuela Khom rückte als geschäftsführende Parteiobfrau nach.
Der KURIER traf Landeshauptmann Kunasek und Vizelandeshauptfrau Khom zum Doppelinterview.
KURIER: Wie viele Anrufe haben Sie beide eigentlich von Ihren Bundesparteiobleuten erhalten, als es darum ging, im Bund eine Koalition zu finden? Blau-Schwarz ging dort nicht.
Manuela Khom: Das kann ich so jetzt gar nicht sagen. Ich habe ein paar Mal mit Christian Stocker telefoniert, aber wir hatten ja Barbara Eibinger-Miedl im Verhandlungsteam. Viele Dinge sind über sie gelaufen.
Mario Kunasek: Bei mir war das ähnlich, bei uns war Hannes Amesbauer im Verhandlungsteam. Wir haben hier in der Zeit eigentlich auch andere Dinge zu tun gehabt in dieser Zeit, es war gerade die Anfangsphase in der Steiermark.
Man hat sich nie Tipps geholt, warum etwas in der Steiermark funktioniert, aber im Bund nicht?
Kunasek: Man kann die Bundesebene mit der Landesebene nicht vergleichen. Manuela Khom und ich haben auch auf persönlicher Ebene aufbauen können, wir haben im Landtag zusammengearbeitet, sie als Präsidentin, ich als Klubobmann. Wir haben uns also schon gekannt. Auf Bundesebene ist man vielleicht ein bisserl weiter auseinander.
Khom: Bei uns hat einfach die Chemie auf allen Ebenen vorher schon gestimmt. Das ist vielleicht ein Unterschied zwischen Land und Bund, dass das Miteinander auf der Landesebene viel besser ist. Dadurch waren auch schon die Verhandlungen, bei denen ich ja nicht dabei war, schon sehr harmonisch. Wir haben dann am Tag 1 zueinander gefunden, wir waren uns ja nicht fremd. Wir haben beide die Verantwortung für das Land übernommen.
Kunasek: Diesen steirischen Weg, der immer wieder zitiert wird, den gibt’s offensichtlich wirklich.
Wenn man es überspitzt formuliert, könnte man sagen: Es lag eindeutig an den handelnden Personen? Ist die Kanzlerschaft der FPÖ an Herbert Kickl gescheitert?
Kunasek: Das kann ich so nicht bestätigen, weil ich bei den Verhandlungen nicht dabei war. Aber es hat offensichtlich schon auch inhaltliche Differenzen gegeben. Aber ja, Befindlichkeiten gibt es immer, Menschen sind Menschen, keine Frage. Aber letztlich glaube ich auch daran, dass die Verhandlungsteams auf der Bundesebene genauso professionell waren wie wir und schon auch die Inhalte diskutiert haben.
Hätte man auf Kickl einwirken müssen von Ihrer Seite aus, wenn es um die Frage ging, die FPÖ will die Kanzlerschaft?
Kunasek: Die Entscheidung der Bundespartei ist zu respektieren. Es ist kein Geheimnis, dass ich mir natürlich gewünscht hätte, dass wir auf Bundesebene auch eine ähnliche Koalition haben wie in der Steiermark. Als FPÖ-Landesparteiobmann hätte mir das Freude bereitet. Aber das ist eben jetzt nicht so. Aber wir haben jetzt trotzdem ein gutes Einvernehmen mit dem Bund, Kanzler Stocker war schon in der Steiermark und wir hatten ein gutes Gespräch.
Khom: Wir gehen unseren Weg, die Wiener gehen ihren Weg. Meine Partei hat durchaus ein bisschen über ihren Schatten springen müssen, um zu sagen, wir gehen ins Gespräch. Aber am Ende des Tages waren es dann die sachlichen Inhalte, die es nicht möglich gemacht haben.
Was hat Christian Stocker besser gemacht als Karl Nehammer?
Khom: Ich würde das nicht miteinander vergleichen. Es waren vollkommen andere Voraussetzungen, es hat sich in der Zeit etwas verändert. Viele haben erkannt, das Land braucht eine Regierung, darum muss man vielleicht mit mehr Kompromissbereitschaft aufeinander zugehen.
Manuela Khom und Mario Kunasek im Gespräch mit KURIER-Redakteurin Elisabeth Holzer-Ottawa
Man sieht ja auch wieder in Wien, dass sich ein Trend fortsetzt: Die FPÖ gewinnt stark, die ÖVP verliert stark. In der Steiermark führte das zu einem Regierungswechsel: Hat sich die ÖVP hier schon wieder an die Rolle des Juniorpartners gewöhnt?
Khom: Die ÖVP – das weiß ich nicht, vielleicht noch nicht ganz. Aber wir zumindest im Regierungsteam und auf Landtagsebene sind uns bewusst: Wir haben eine Koalitionspartnerschaft, die wirklich auf Augenhöhe passiert. Aus diesem Grund ist das bei uns nicht so spürbar, dass wir der Juniorpartner oder der kleine Partner wären. Die Dinge, die zu tun sind, werden sehr offen ausgeredet. In der Beziehung habe ich nicht das Gefühl, dass wir der Juniorpartner sind.
Kunasek: Das haben wir von Anfang an so gelebt, auch schon bei den Verhandlungen. Wir haben geschaut, dass wir unsere beiden Seiten bestmöglich unter einen Hut bringen. Im täglichen Miteinander habe ich nicht das Gefühl, dass da jemand von oben nach unten agiert.
Für Sie beide sind die Rollen, die Sie jetzt leben, vollkommen neu, Sie beide waren noch nie in der Landesregierung. Haben Sie sich eingelebt?
Khom: Man lernt in so einer Funktion immer jeden Tag neu dazu. Aber ja, ich bin sehr am Lernen, es war für mich schon eine Herausforderung von der Landtagspräsidentin in diese Funktion. Mittlerweile glaube ich, dass ich ganz gut angekommen bin.
Kunasek: Ich habe das ähnlich erlebt. Als Minister war ich auch verantwortlich für einen gewissen Bereich, aber das ist natürlich enger gesteckt, dort hast du ein Ressort abzuarbeiten. Aber hier haben wir eine Gesamtverantwortung, das bildet sich zum Beispiel auch in den Terminen ab. Vom berühmten Kanaldeckenlegen bis hin zum Großprojekt landet alles bei uns.
Sie haben bei den Koalitionsverhandlungen mit einem völlig anderen Team geredet, als es jetzt hier in der Landesregierung abgebildet ist: Christopher Drexler und Werner Amon sind nicht mehr, Barbara Eibinger-Miedl ebenso. Da könnte man fast anmerken, dass die Regierung auf der Seite der ÖVP nicht besonders stabil ist.
Kunasek: Nein, das zu sagen, wäre vollkommen vermessen. Personen können sich ändern, das Programm bleibt das gleiche. Wir beide haben unsere Unterschrift darunter gesetzt, die ÖVP bekennt sich zum Programm, die FPÖ bekennt sich zum Programm. Das Team stimmt.
Khom: Ich habe Verantwortung übernommen mit einem Team, das bei den Verhandlungen durchaus dabei war. Eibinger-Miedl ist mit einem lachenden und einem weinenden Auge nach Wien gegangen, auf der anderen Seite sind wir natürlich froh, dass wir jemanden haben in Wien, einen direkten Ansprechpartner. Es ist gut für die Steiermark, zu wissen, da gibt es eine Verbündete. Der Herr Landeshauptmann hat schon richtig gesagt, wir haben ein gemeinsames Programm, das wir abzuarbeiten versuchen. Und es kommen ja täglich neue Dinge dazu, die wir abarbeiten müssen, das funktioniert aus meiner Sicht sehr gut.
In wenigen Wochen gibt es einen Wechsel in der Landeshauptleute-Konferenz, die Steiermark übernimmt von Salzburg. Wie sehen Sie dieses Gremium, das nirgendwo wirklich rechtlich verankert ist? Braucht man das? Als Oppositionspolitiker haben Sie oftmals gefordert, die LH-Konferenz abzuschaffen. Jetzt als Landeshauptmann sagen Sie, okay, passt so?
Kunasek: Das hat weniger mit der Rolle zu tun, sondern mit den Entwicklungen der vergangenen Jahre in Österreich. Wir haben eine neue Bundesregierung, wir haben eine völlig neue Situation: Ich glaube schon, dass die Länder gut beraten sind, miteinander zu kommunizieren und das Gremium damit auch seine Berechtigung hat. Man kann darüber streiten, ob alles, was dort beschlossen wird, letztlich auch zur Umsetzung kommt, weil das meiste nur Wünsche an die Bundesregierung sind. Aber letztlich ist das Gremium etwas Gutes, man redet miteinander und nimmt damit die Interessen der Länder wahr. Ich freue mich auf die Aufgabe, die ich ab Juli übernehmen darf.
Khom: Ich halte es für sehr sinnvoll, dass sich die Länder mit all ihren Herausforderungen untereinander abstimmen und dann gemeinsam gehen.
Zurzeit haben wir politisch recht bunte Konstellationen. In der Steiermark die einzige FPÖ-ÖVP-Regierung, im Bund ÖVP-SPÖ-Neos. Im Bund sitzt die LH-Partei FPÖ in Opposition, dafür in der Steiermark die Regierungspartei SPÖ. Wie schwierig macht es das für Sie beide, im Bund durchzudringen? Die Steiermark hatte einst Gewicht in Wien.
Khom: Das haben wir noch immer. Der Herr Bundeskanzler hat als Erstes die Steiermark besucht. Der Draht nach Wien ist nach wie vor ein guter. Am Ende des Tages geht es sowieso darum, welche Projekte werden von Wien unterstützt? Das ist für uns wichtig, und da habe ich ein sehr gutes Gefühl nach dem Gespräch mit dem Bundeskanzler, dass er hinhört.
Kunasek: Man sieht das ja auch an anderen Bundesländern, in Oberösterreich sitzt die FPÖ schon in der dritten Periode mit der ÖVP in einer Koalitionsregierung. Ich glaube, die Steiermark ist zu groß und zu wichtig, dass man uns übersehen kann. Wir sind ein großes Bundesland, ein selbstbewusstes Bundesland und werden weiter unsere Anliegen vertreten.
Wenn man dann einmal zurückblickt auf Ihre Regierungsperiode – woran soll die steirische Landesregierung gemessen werden? Am Aus des Luft-Hunderters, am Schuldenberg, der abgetragen werden muss, am Handyverbot in Schulen?
Kunasek: Mir wäre am liebsten, dass man sagt, okay, da haben sich zwei Parteien getroffen mit einem gemeinsamen Programm, das sie umgesetzt und ihre Wahlversprechen eingehalten haben. Das ist vielleicht etwas, das man da und dort wieder lernen muss. Wir haben uns vorgenommen, dass, was man verspricht, letztlich in den fünf Jahren auch umzusetzen. Wenn uns das gelingt, haben wir viel erreicht. Und ich sage auch, dass kann dann durchaus noch in die nächsten fünf Jahre gehen. Das muss schon im Mindset sein, dass das nicht nur auf fünf Jahre angesetzt ist.
Khom: Das Wichtigste ist, dass die Menschen am Ende der Periode sagen: In diesem Land geht es uns gut, hier sind wir gerne. Dann haben wir richtig gearbeitet.
In Niederösterreich läuft eine Debatte, die die Steiermark offenbar schon hinter sich hat - Spitalsschließungen bzw. Zusammenlegungen. Wie glücklich sind sie mit dem Aus für das Leitspital Liezen, Frau Vizelandeshauptfrau?
Khom: Auch da sind wir einen gemeinsamen Weg gegangen. Der Wunsch der früheren Regierung hat einfach keine Mehrheit mehr gefunden, weder bei der Bevölkerung noch im Land. Aus diesem Grund haben wir uns geeinigt, zu sagen, wir stoppen dieses Projekt und arbeiten gerade an Plan B. Ziel ist die beste Versorgung der Menschen im Bezirk Liezen.
Kann sich die Steiermark so viele Spitäler noch leisten?
Kunasek: Da wird es nicht an der Anzahl der Spitäler scheitern. Wir sind ein sehr großes Bundesland, das heißt, wir brauchen eine Flächendeckung. Nicht jedes Krankenhaus muss alles können, das ist unmöglich. Aber gerade im Bereich Liezen, ein Bezirk so groß wie Vorarlberg, ist man mit drei Standorten flächendeckend besser unterwegs als mit einem. Aber der Plan B wird gerade ausgearbeitet und uns im ersten Halbjahr noch präsentiert.
Frau Khom, Sie sind erst die zweite Parteiobfrau nach Waltraud Klasnic. Wenn man die lokalen Medien verfolgt, tauchen Stimmen auf - offensichtlich aus der ÖVP -, die Sie als nicht unumstritten beschreiben. Welche Erklärung haben Sie dafür?
Khom: Gar keine. Ganz ehrlich: Wenn jemand anonym ankündigt, dass er anonym etwas gegen mich hat – dazu kann ich mich leider nicht äußern. Denn ich weiß ja nicht, was ‚Anonym‘ gerne hätte. Ich finde es halt ein bisschen eigenartig, dass das in der Presse aufgetaucht ist. Ich würde mir den Gegenkandidaten wünschen, dann kann man konkret sagen: Was willst du, was will ich?
Wird es einen Gegenkandidaten um den Parteivorsitz geben?
Die nächsten Wahlen stehen bald schon vor der Tür: Die Grazer Gemeinderatswahl im Herbst 2026 ist für Ihre beiden Parteien nicht ganz unwichtig. Sie haben in Graz einen gemeinsamen Kontrahenten, die KPÖ. Wobei die ÖVP den Bürgermeistersessel 2021 fulminant verloren hat und die FPÖ in Graz de facto nicht mehr existiert – Stichwort Finanzaffäre.
Kunasek: Nicht existieren ist nicht richtig, wir haben einen Gemeinderat. Es war ein notwendiger Schritt, den wir damals setzen mussten, damit wir wieder Ruhe in die Partei bringen. Man sieht ja in der Entwicklung in der Causa, dass hier sehr viel mit Strafrecht Politik gemacht wurde. Aber sei’s drum, wir haben einen Gemeinderat, natürlich wünschen wir uns mehr. Das Ziel muss sein, wieder in die Stadtregierung einzuziehen. Das wird uns gelingen.
Khom: Wir werden Erster sein wie vorher auch. Und es wird dann gelingen, eine gute Koalition zusammen zu bringen, wo die ÖVP wieder mehr mitzureden hat. Der Anspruch ist, Bürgermeister zu werden.
Woran ist das denn 2021 gescheitert?
Khom: Wenn ich das wüsste, würde ich nicht hier sitzen, sondern wäre gut bezahlte Beraterin.
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