Zecken: Gefährliche Mini-Blutsauger und wie sie uns schaden

Zecken übertragen FSME, die nicht ursächlich behandelbar ist
Seit Jahren zeigt sich ein ähnliches Bild. Oberösterreich ist der Zecken-Hotspot des Landes. Warum die Erkrankungszahlen genau in diesem Bundesland immer wieder am höchsten sind, könnte mehrere Ursachen haben.
„Die Impfskepsis ist offenbar hoch, somit ist Aufklärung über die Haus- und Kinderärzteschaft besonders wichtig“, sagt Ulrike Waltl, Kinderärztin sowie Leiterin des Impfreferats in der Ärztekammer OÖ. „Gleichzeitig leben wir im idealen Zeckenwohngebiet mit viel Wald- und Wiesenlandschaft.“
Zecken sind ab Temperaturen von etwa 5 Grad Celsius aktiv. Dadurch, dass die Winter milder werden, gibt es mittlerweile ganzjährig Zeckenstiche.
Die Riesenzecke kommt
Der Klimawandel ist also mitverantwortlich dafür, dass sich der Lebensraum der Tiere auf höhere Lagen ausdehnt und auch weitere Zeckenarten, wie etwa die Riesenzecke, in heimischen Gefilden auftauchen. Zecken, die Borreliose übertragen können, sind offenbar widerstandsfähiger gegenüber Trockenheit; FSME-infizierte Zecken sind anscheinend unempfindlicher gegen Zeckenschutzmittel.
162 Fälle
2024 wurden in Ö 162 Fälle von FSME diagnostiziert, davon 51 in Oberösterreich
Borreliose ist nicht FSME
Borreliose und FSME sind zwei verschiedene Erkrankungen. Borreliose (hier wirkt die Impfung nicht) ist mit Antibiotika gut behandelbar, gegen FSME gibt es aktuell keine Medikamente. Es können nur die Symptome behandelt werden.
Impfung
Die Grundimmunisierung besteht aus drei Teilimpfungen und ist ab dem 1. Geburtstag empfohlen. Die erste Auffrischung sollte nach drei Jahren, im Anschluss daran alle fünf Jahre erfolgen. Ab dem 60. Lebensjahr gelten wieder drei Jahre für die Auffrischung
Kinderärztin Waltl erklärt, dass die in Österreich ab Ende der 1970er-Jahre entwickelte Impfung sehr wirksam (die Effektivität liegt bei 95 bis 99 %) und gut verträglich ist. Selbstverständlich müsse über mögliche Impfreaktionen wie Schmerzen und Schwellungen an der Impfstelle oder erhöhte Temperatur aufgeklärt werden. Allgemeinsymptome wie Kopf- und Gliederschmerzen oder Abgeschlagenheit können ebenfalls vorkommen, schwere Impfreaktionen sind sehr selten und seien immer ärztlich abzuklären.
„Die Nutzen-Risiko-Abwägung ist bei jeder Impfung wichtig und gehört zur Beratung dazu. Der Nutzen der FSME-Schutzimpfung gegen eine sehr schwere, nicht behandelbare Erkrankung zeigt sich gerade in OÖ deutlich“, so Ulrike Waltl.
Die Impfung ist aktuell über den hausärztlichen Dienst, die Kinderärztinnen sowie öffentliche Impfstellen erhältlich. Zuschüsse für die Kosten gibt es von den Sozialversicherungen. Wünschenswert wäre die Aufnahme der Schutzimpfung vor allem für Kinder ins kostenfreie Impfprogramm – das würde die Impfquoten steigern und die Erkrankungszahlen reduzieren, ist sich die Medizinerin sicher.
Kontrolle ist wichtig
Wichtig sei natürlich weiters, sich grundsätzlich vor Zeckenstichen zu schützen: Helle Kleidung hilft, die Zecken besser zu erkennen. Kontrollen nach jedem Aufenthalt im Freien sind ebenso wesentlich, weil ein Zeckenbiss meist völlig schmerzfrei erfolgt. Man bemerkt ihn erst, wenn man das Tier entdeckt. Der Zeck sollte dann umgehend mit einer Pinzette (ohne vorher etwas auf das Tier zu träufeln) entfernt werden.
Dies reduziert das Erkrankungsrisiko nicht nur für FSME, sondern auch für Borreliose. Diese geht oft mit einem Hautausschlag oder einer Gelenkentzündung einher und kann antibiotisch behandelt werden.

Wer viel im Freien unterwegs ist, sollte sich selbst regelmäßig kontrollieren
Erfahrungsbericht: So schwer kann eine FSME-Erkrankung verlaufen
Es war vergangenes Jahr im Sommer. Da dachte Julia L. noch, sie habe sich einen grippalen Infekt zugezogen: „Ich hatte sehr starke Rückenschmerzen, das war eigenartig.“ Auch nach der vermeintlichen Grippe ging es Frau L. nicht wesentlich besser, doch niemand konnte feststellen, was ihr konkret fehlte.
Erst als es ein paar Wochen später plötzlich mit extremem Erbrechen und Kopfweh weiterging, kam sie ins Spital. Dort wurde schließlich eine Gehirnhautentzündung, ausgehend von einer FSME-Erkrankung, diagnostiziert.
„Ich habe keine Erinnerung an einen Stich, vielleicht war es auch eine Übertragung durch ein Rohmilchprodukt“, sagt Julia L. Geimpft gegen FSME war sie nicht.
Sehr schwach
Zwei Wochen wurde sie im Spital behandelt: „Ich war sehr schwach, konnte mich schlecht bewegen, sogar das Reden war anstrengend“, erinnert sich die ehemalige Patientin. Mit Nackenschmerzen, neurologischen und motorischen Ausfällen hatte sie noch lange zu kämpfen. Nach einer Reha nutzte sie die Wiedereingliederungsteilzeit. „Ich hatte Probleme mit dem Kurz- und Langzeitgedächtnis, habe immer wieder die Orientierung verloren. Das hat sich zum Beispiel so ausgedrückt, dass ich oft nicht mehr wusste, wo ich mein Auto geparkt hatte.“ Erst jetzt, rund ein Dreivierteljahr nach ihrer Erkrankung, ist sie wieder ganz fit, kann Sport machen und aktiv sein.
Sie selbst brauche sich derzeit noch nicht impfen lassen, „aber die Situation hatte zur Folge, dass sich nun meine ganze Familie hat impfen lassen. Die war nämlich bis dato auch noch ungeimpft“, sagt Julia L..

Raimund Helbok, Neurologie-Vorstand am Kepler Uniklinikum in Linz
Schwere Verläufe landen auf der Intensivstation
Aus der Medizin. 48 Menschen mussten 2024 in OÖ ins Spital, 15 waren im Kepler Uniklinikum, 80 Prozent davon hatten keinen Impfschutz, 15 Prozent einen unzureichenden. Derzeit läuft am Neuromed Campus des Linzer Klinikums eine Studie, die die Ursachen für bestehende Defizite nach einer FSME-Erkrankung untersucht.
Raimund Helbok leitet die Studie als Neurologie-Vorstand, er hat auch den Lehrstuhl für Neurologie der Linzer Medizinuni inne. „Immer wieder landen Patientinnen und Patienten bei uns auf der Intensivstation, das geht bis hin zur künstlichen Beatmung“, schildert Helbok seine Erfahrungen.
Nur Symptome können behandelt werden
Die lebensbedrohliche Erkrankung verläuft zweiphasig: Sie beginnt mit grippalen Symptomen, die sich kurz bessern, danach bekommen aber rund 30 Prozent der Infizierten erneut anhaltend hohes Fieber, starke Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit – das Virus geht aufs Nervensystem über.
Die Gehirnhaut- oder Gehirnentzündung, die man Frühsommermeningoencephalitis (FSME) nennt, geht mit hohem Fieber, Bewegungsstörungen und Lähmungserscheinungen einher. Sie kann nicht ursächlich behandelt werden, es gibt also kein Medikament, das in kurzer Zeit eine Heilung bewirken kann. Etwa ein Drittel der Patienten zeigt nach Erkrankung anhaltende Dauerschäden, es kommt auch immer wieder zu Todesfällen. Die Infektion kann auch Säuglinge und Kleinkinder betreffen.
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