Mit Norbert Trawöger und Kai Liczewski wurde ein Führungsduo für das Linzer Brucknerhaus bestellt, das das zeitlose Kulturhaus an der Donau nach dem Skandaljahr in ruhigere Gewässer führen soll.
2024 war ein turbulentes Jahr für das Brucknerhaus und die Linzer Veranstaltungsgesellschaft. Bruckner-Auskenner Norbert Trawöger und Kai Liczewski von den Salzburger Festspielen sollen neue Akzente setzen.
KURIER:,Eigentlich geht man nicht nach Linz in die Disco. Eigentlich geht man überhaupt nicht nach Linz. Linz ist der Arsch der Welt. Chemie, Langeweile, Drogen.‘ Geschrieben hat das Wolfgang Höbel, Autor und Theaterkritiker. Das ist jetzt 20 Jahre her. Was hat sich verändert, dass Sie sogar extra nach Linz gehen wollen?
Liczewski: Gute Frage. Da hat sich sicher vieles verändert, meine Wahrnehmung von Linz ist eine ganz andere. Vielleicht war dieses Zitat einfach schon immer falsch.
Was muss jetzt im Brucknerhaus passieren, damit finanziell alles auf sicheren Beinen steht? Die Stadt Linz wird nicht ständig Geld nachschießen.
Liczewski: Ich tue mir noch relativ schwer, weil ich ja noch nicht mit den Leuten, die hier arbeiten, geredet habe. Es gibt den Außenblick, es gibt viel, was gesagt und geschrieben wurde. Das kann mir aber nicht reichen. Ganz viele Sachen sind gut. Bei den Veranstaltungen werden die Linzerinnen und Linzer erreicht. Die Besucherzahlen sind nach Corona deutlich stabil bis exzellent, je nach Haus. Wir stehen für einen Neuanfang in der Führung.
Was sind da die Themen?
Liczewski: Ein Problem ist offenkundig: Die Führung war bis dato nicht genug für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter da.
Stefan Zweig schreibt in Joseph Fouché: Linz, man lächelt immer in Österreich, wenn jemand diesen Stadtnamen nennt, er reimt sich zu unwillkürlich auf Provinz. Über Salzburg würde das niemand sagen.
Liczewski: Aus meiner Perspektive ist Salzburg eine saisonale Weltkulturstadt. Temporär gibt es Aktivitäten, Festivals, allen voran die Sommerfestspiele, die Weltrang haben. Aber wenn sie dort im September unterwegs sind oder dort wohnen, dann wird sich auch dort, glaube ich, keiner auf den Schlips getreten fühlen, wenn ich sage, der Begriff von der Provinz trifft temporär auch zu.
Festspielbezirk 2030 – die Kosten für die Sanierung der Festspielhäuser explodieren. 262 Millionen waren es erst, 480 Millionen Euro zuletzt. Das Kontrollamt in Salzburg hält 625 Millionen Euro für möglich. Ein guter Zeitpunkt, aus Salzburg wegzugehen?
Liczewski: Es ist kein guter Zeitpunkt für mich. Bei den Zahlen muss ich als Zahlenmensch sagen, das ist nicht ganz so. Manchmal sind das die Nettozahlen, manchmal sind es die Bruttozahlen.
Das sind die Zahlen aus dem Kontrollamtsbericht. Bleibt die Kostenexplosion?
Liczewski: Ich glaube nicht. Jeder Euro, der dort investiert wird, ist gut investiertes Geld in Österreich als Kulturstandort. Aus der Innensicht kann ich sagen, da wird mit jeder Energie und Expertise drum gerungen, diese Euros so zielgerichtet und sparsam wie möglich einzusetzen.
Wie wollen Sie beide Ihre Zusammenarbeit anlegen?
Trawöger: Eine gemeinsame Führung ist dezidiert gewünscht. Wir waren einander vom ersten Augenblick an sympathisch, das ist ein Geschenk. Da gibt es nicht einen Künstler, der das überstrahlt und führt und irgendwo ein Side-Man, ich begreife uns als Duo.
Kai Liczewski und Norbert Trawöger beim Doppel-Interview im Brucknerhaus
Liczewski: In der Praxis werden wir uns die Aufteilung überlegen. Ich bin ein Kulturmensch durch und durch. Deswegen entspricht mir die Aufgabe hier auch, Musik in all ihren Facetten ist eine große Leidenschaft von mir.
Die klassische Aufteilung in „good cop“ und „bad cop“ wird es also nicht geben?
Trawöger: Das ist nicht so angelegt oder wir füllen beide beides aus. Das sind Klischeebilder. Wir werden beide die Zahlen im Kopf haben.
Das Ortsübliche ist nie das Mögliche. Was heißt das für das Brucknerhaus nach dem Skandal des Vorjahres?
Trawöger: Gerade im letzten Jahr haben wir gezeigt, wie Stadt und Land zusammenarbeiten, durchs Reden kommen die Leute zusammen und dann geht es ums Tun. Ich habe immer versucht, dass Oberösterreich nicht meine kleine, große Welt wird, ich wollte den Kopf immer ein bisschen weiter raushalten, mich nicht zufriedengeben, mit Mustern, die sich eingebrannt haben. Der Aufbruch ist längst im Gange, wir kommen zur richtigen Zeit.
Norbert Trawöger, Aufsichtsratschef Meinhard Lukas, Kai Liczewski
Was ist das Mögliche für das Brucknerhaus?
Trawöger: Man merkt am aktuellen Programm, dass wieder Zug in die Sache kommt, eine eigene Handschrift. Es ist auch wichtig, topografisch zu wissen: Auf welchem Platz stehen wir? Wir wollen nicht, dass es Ähnliches wie in Salzburg und Wien gibt. Wir müssen ein Konzerthaus für die Stadt, Oberösterreich und die Welt entwickeln, das gleichzeitig typisch für Linz ist.
Wieso ist dieser Linz-Bezug wichtig?
Trawöger: Linz ist die dynamischste Stadt Österreichs. Hier wird noch an der Identität geschrieben und wir sind gefordert, mitzuschreiben. Salzburg und Wien sind quasi festgeschrieben. Diese Dynamik sollten wir aufnehmen.
Zwischen Stadt- und Landespolitik gibt es immer wieder Querelen, auch in Bezug auf das Brucknerorchester.
Trawöger: Die Signale sind großartig, die entsprechenden Parteien sind im und kommen ins Gespräch. Wir brauchen ein neues Bewusstsein, das alles gemeinsam machen zu wollen.
Ist bis jetzt zu wenig miteinander gesprochen worden?
Trawöger: Es scheint so, das kann man intensivieren. Je mehr wir miteinander machen, desto mehr internationale Sichtbarkeit gibt es.
Sie haben Änderungen beim Brucknerfest angekündigt.
Trawöger: Man sollte den Zeitrahmen straffen, ich weiß nicht, ob man wirklich fünf Wochen feiern kann.
Sie haben die Klangwolke als B-Movie bezeichnet, nicht unbedingt passend für Linz.
Trawöger: Es waren zuletzt viele Geschichten, die für 60 Minuten hergestülpt wurden – ein Blockbuster, der nicht unbedingt zur Stadt gepasst hat. Wie können wir ein Thema der Stadt aufgreifen? Das fasziniert mich an der Krimiserie Tatort, dass da aktuelle Themen bearbeitet werden.
"Pioneers 52 H" - die Klangwolke lockt jedes Jahr Massen in den Linzer Donaupark
Heuer gibt es keine Zusammenarbeit mit dem Lido Sounds Festival und keine Partys im Brucknerhaus. Wie wollen Sie das Brucknerhaus in Bezug auf junges Publikum positionieren?
Trawöger: Alles, was das Haus öffnet und Menschen reinbringt, die sonst nicht da sind, finde ich gut.
Zur LIVA gehören neben dem Brucknerhaus die TipsArena, das Kindertheater Kuddelmuddel und der Posthof. Welche Assoziationen haben sie zu diesen Häusern?
Trawöger: Bei der TipsArena fällt mir sofort Helene Fischer ein. Ich bin mit der klassischen Arroganz in das Konzert reinspaziert, war aber innerhalb von Sekunden bekehrt. Diese Atmosphäre der Professionalität und Intimität, die Helene Fischer für tausende Menschen schafft, davon können wir alle was lernen.
Trawöger: Oder Taylor Swift. Meine Tochter hat gesagt, ich soll sie einladen. Sie überschätzt mich offenbar.
Das Kuddelmuddel?
Trawöger: Dort habe ich selbst so viel erlebt, ich habe dort selbst Theater gespielt, war viel mit meinen Kindern dort. Das ist ein kreativer, offener Kosmos. Das Programm im Posthof ist auch toll.
Was soll im Brucknerhaus in zehn Jahren passiert sein?
Trawöger: Es soll ein lebendiger Ort der Exzellenz sein, es sollen Veranstaltungen stattfinden, die Menschen zum Staunen bringen und das Brucknerhaus soll ein Ort sein, der Menschen anzieht, sehr vielfältig, sehr offen.
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