Naturräume wie dieser hier bei Rietz in Tirol sind nicht nur am Inn, sondern in ganz Österreich selten geworden. Nur noch 14 Prozent der Fließgewässer im Land gelten als ökologisch intakt. Kiesbankbrüter wie der Flussuferläufer oder der hier ebenfalls vorkommende Flussregenpfeifer sind – wie der Name sagt – auf Kiesbänke angewiesen.
Verbaute Flussläufe
Und die gibt es nur dort, wo Flüsse nicht in ein enges Korsett gezwängt sind, in die Breite gehen und das Ufer formen können. „Solche Lebensräume sind stark zurückgegangen – durch Uferverbauungen, Hochwasserschutz und Kraftwerke“, sagt Katharina Bergmüller von BirdLife Österreich am Mittwoch bei einem Lokalaugenschein.
Was die Kiesbankbrüter aber ebenfalls brauchen, ist: Ruhe. „Der Stärkere muss auf den Schwächeren schauen“, sagt Tirols Naturschutzlandesrat René Zumtobel (SPÖ) und appelliert an die Bevölkerung, in der Brutzeit die betroffenen Kiesbänke nicht zu betreten – von 1. April bis 31. Juli.
40 Prozent aller österreichischen Flussuferläufer-Brutpaare leben am Tiroler Inn. Mit Frühlingsbeginn reisen sie aus Afrika an. Im Mai wird gebrütet, ab Juni sind dann die Jungen da. Signalisiert die Mutter mit einem Ruf Gefahr, stieben die Küken auseinander. Die sind aber in den ersten Wochen, bis sie flügge sind, noch darauf angewiesen, dass sie von der Mutter gewärmt werden. Störungen können also tödlich enden. „Wenn es das hier nicht geben würde, würde die Population halbiert“, weist Zumtobel auf die Bedeutung der Brutzonen am Inn hin. In den von Menschen zu meidenden Arealen wurden im Zuge des Artenschutzprojekts „Innsieme connect“ von WWF und Land Tirol Hinweisschilder aufgestellt.
Grillen zwischen Vögeln
„Am Inn geraten viele Interessen aneinander“, weiß WWF-Flussexpertin Marianne Götsch über das Spannungsverhältnis zwischen Naherholung und Naturschutz. Spaziergänger, vielleicht sogar mit frei laufenden Hunden, können eine massive Störung für die Vögel darstellen. Noch mehr gilt das, wenn Menschen zum Grillen oder Feiern an den Fluss kommen: „Die Leute bleiben lange und machen Lärm.“ Zudem können die zum Teil im Kies verborgenen Gelege zertreten werden.
„Viele tun das nicht bösartig“, sagt Zumtobel zu derartigem Freizeitverhalten. Auch Götsch ist überzeugt, dass es oft schlicht an Wissen über das richtige bzw. falsche Verhalten fehlt und sagt: „Es ist wichtig, dass die Menschen an den Inn kommen.“ So würden sie auch Bezug zur Natur und ihrem Wert bekommen. „Es zieht uns alle ans Wasser“, ist auch Bergmüller bewusst. Aber Tirol habe für den Schutz des Flussuferläufers eine besondere Verantwortung.
Ausgewählte Lage
„Er ist vor allem auf alpine Flüsse angewiesen, die ein großes Geschiebe haben. Im Sand und Schlick sucht er nach Insekten“, sagt die Vogelexpertin. Mit Renaturierungsprojekten am Inn ist es in den vergangenen Jahren gelungen, die Population zu stärken. „Es ist viel an Aufweitungen passiert“, sagt Bergmüller.
Inzwischen gibt es deshalb in Nordtirol wieder 25 Flussuferläufer-Reviere. Das sind drei Mal so viele wie noch 2012. 90 Brutpaare legen am Inn ihre Eier und ziehen ihre Jungen auf. Bei künftigen Flussaufweitungen würde sich Bergmüller wünschen, dass von Anfang an getrennte Bereiche für Vogel und Mensch geschaffen werden. Damit beide den Fluss genießen können.
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